Einleitung
Virtuelles Kulturhaus
Kulturelle Angebote für | von Menschen mit komplexer Behinderung
Im ‚Virtuellen Kulturhaus‘ werden unterschiedliche Kulturprojekte und -angebote für und von Menschen mit komplexer Behinderung präsentiert.
Das Projekt wird an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg von Frau Prof.in Dr. Teresa Sansour in Kooperation mit dem ‚Netzwerk komplexe Behinderung e. V.‘ [Ne koB] realisiert und von der Friedrich Stiftung finanziell gefördert. Es strebt an, einen Beitrag zur Teilhabe von Kindern, Jugendlichen und erwachsenen Menschen mit komplexer Behinderung an Kultur zu leisten, indem es systematisch national und international Beispiele guter Kulturpraxis für den / mit dem Personenkreis identifiziert, analysiert, aufbereitet und über die Online-Plattform ‚Qualitätsoffensive Teilhabe‘ einer breiten Praxis zugänglich macht.
UN-BRK
Obwohl die Bundesrepublik Deutschland mittlerweile über ein ausgebautes, differenziertes und abgesichertes Netz an Hilfen für Menschen mit Behinderungen verfügt, stehen Menschen mit komplexer Behinderung in zentralen gesellschaftlichen, insbesondere auch kulturellen Bereichen nach wie vor oft am Rande der Gesellschaft.
Die UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) sichert in Artikel 30 auch diesem Personenkreis formal das Recht zu, gleichberechtigt mit anderen am kulturellen Leben teilzuhaben. Mit ihrer Unterzeichnung verpflichten sich die Vertragsstaaten dazu,
- geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die den Zugang zu kulturellen Materialien wie z.B. zu Fernsehprogrammen, Filmen, Theatervorstellungen und anderen kulturellen Aktivitäten in zugänglichen Formaten ermöglichen
- Zugang zu Orten kultureller Darbietung oder Dienstleistungen sicher zu stellen und
- es Menschen mit Behinderungen zu ermöglichen, ihr kreatives, künstlerisches und intellektuelles Potenzial zu entfalten und zu nutzen.
Leerstellen – Herausforderungen – Ziele
Trotz dieser rechtlichen Grundlage durch die BRK zeigt sich, dass in der Gesellschaft, in der Fachwissenschaft, in den Kulturbetrieben und in der breiten Praxis Leerstellen bezogen auf eine Teilhabe von Menschen mit komplexer Behinderung am kulturellen Leben existieren. Die Mitarbeiter*innen in Behinderteneinrichtungen können bisher weder in der Praxis noch im Bereich der Fachwissenschaft kaum auf fundierte Konzepte zurückgreifen, die für die Planung und Gestaltung von subjektiv sinnstiftenden kulturellen Angeboten als Orientierung dienen könnten und ihnen für die konkrete praktische Arbeit inhaltliche und methodische Impulse für die Gestaltung von Angeboten geben.
Das ‚Virtuelle Kulturhaus‘ soll einen Beitrag dazu leisten, dass Menschen mit komplexer Behinderung nicht in ‚kulturellen Sonderwelten‘ leben. Es sollen (Frei-)Räume für eine umfassende kulturelle Teilhabe aufgezeigt werden, die einerseits innerhalb der Einrichtungen kulturelle Aktivitäten und ästhetische Erfahrungen unterstützen, aber anderseits sollen auch Räume und kulturelle Institutionen außerhalb eine große Rolle spielen, z.B. durch Kooperationen mit unterschiedlichen Kultureinrichtungen wie Museen, Theatern, Musikschulen, Literaturhäusern, Bibliotheken … oder auch mit Künstler*innen und anderen gesellschaftlichen Akteur*innen. Gerade dieser Aspekt ist besonders bedeutsam hinsichtlich der Öffnung von Einrichtungen für Menschen mit komplexer Behinderung in den kulturellen Raum der Gesellschaft hinein.
Das ‚Virtuelle Kulturhaus‘ soll Fachkräften in den Einrichtungen, aber auch gesellschaftlichen Akteur*innn im Bereich der Kultur inhaltliche und methodische Impulse für die Gestaltung von kulturellen Angeboten für Menschen mit komplexer Behinderung geben und sie in gut nachvollziehbarerer Weise darin unterstützen, die kulturellen Teilhabemöglichkeiten dieses Personenkreises zu verbessern und weiterzuentwickeln.
Struktur – „Kulturräume“
Das ‚virtuelle Kulturhaus‘ enthält, angelehnt an gängige Einteilungen der Kunst die ‚Kulturräume‘
Darüber hinaus werden in einem weiteren Raum ‚Weitere Projekte‘ präsentiert,
- die sich den gängigen Kategorien der Kunst nicht eindeutig zuordnen lassen und/oder
- den Personenkreis nicht explizit berücksichtigen, jedoch Potential haben, für Menschen mit komplexer Behinderung weiter entwickelt zu werden.
Im Virtuellen Kulturhaus werden konkrete Projekte und Angebote präsentiert, die in der behindertenpädagogischen Praxis und in der ‚Kulturszene‘ nicht/kaum bekannt sind. Dazu wurde national und international nach Beispielen guter Kulturpraxis (Leuchttürme) für die kulturelle Teilhabe von Menschen mit komplexer Behinderung recherchiert.
Auswahlkriterien
Die Projekte wurden analysiert und für die ‚Aufnahme‘ in das Kulturhaus dahingehend bewertet, ob
- im engeren Sinne (aber nicht ausschließlich) primär die ästhetisch-künstlerische Praxis fokussiert wird,
- altersadäquate basale Aneignungswege und vielfältige Methoden einbezogen werden,
- neben einer barrierefreien ‚räumlichen Zugänglichkeit‘ vor allem auch eine ‚inhaltliche Zugänglichkeit‘ ermöglicht wird, die bei Menschen mit komplexer Behinderung, gerade bei abstrakten und komplexen kulturellen Themen und Handlungsfeldern, eine besondere Gestaltungsherausforderung darstellt,
- eine Auseinandersetzung in aktiven Prozessen handelnd und selbsttätig möglich ist und/oder in rezeptiven Prozessen kulturelle Praxis erfahren, genossen und erlebt werden kann,
- persönlichkeitsbildende Prozesse im Mittelpunkt stehen,
- sie sich einer gesellschaftlichen Verwertungslogik entziehen.
Impulse
Die auf dieser Grundlage ausgewählten und auf den folgenden Seiten im virtuellen Kulturhaus‘ portraitierten Beispiele guter Kulturpraxis (Leuchttürme) sollen als Leitfaden und Orientierungshilfe Impulse und konkrete Ansatzpunkte zur Gestaltung teilhabeorientierter Kulturangeboten liefern, die sehr konkret aufzeigen, wie sich die kulturellen Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit komplexer Behinderung verbessern lassen.
Das ‚virtuelle Kulturhaus versteht sich als ‚work in progress‘ und soll, insbesondere auch durch Ihre Mitarbeit, kontinuierlich weiterentwickelt werden. Deshalb wollen wir Sie ermuntern, ermutigen und einladen, uns über Ihre Kulturarbeit mit Menschen mit komplexer Behinderung zu berichten, die wir dann ggf. auch in unser Kulturhaus aufnehmen werden.
Kontakt: info@qualitaetsoffensive-teilhabe.de