Praxis Palliativ Care
Essen & Trinken
Essen und Trinken über die Lebensspanne
Die Frage nach ausreichender Versorgung mit Nahrung und Flüssigkeit stellt sich bei Menschen mit komplexer Behinderung oft lebenslang und ist häufig verbunden mit großen Sorgen und Bemühungen seitens der Eltern, Angehörigen, Mitarbeitenden sowie behandelnden Ärzt*innen. Kau- und Schluckstörungen erschweren häufig das Essen und Trinken und machen ein Zerkleinern, Pürieren oder ein Andicken von Getränken nötig.
Für viele Menschen mit komplexer Behinderung ist das Essen und Trinken häufig mit großen Anstrengungen sowie mit dem Erleben von Stress, Ängsten und Unvermögen sowie u.U. von Zwang verbunden. Aufgrund dieser häufigen negativen Erlebnisse in Bezug auf das Mahlzeiten halten, kann es sein, dass Essen und Trinken wenig lustvoll und angenehm erlebt und deshalb öfter abgelehnt wird. Auf Grund der genannten Schwierigkeiten, kommen Menschen mit komplexer Behinderung oft nicht auf eine ausreichende Kalorienzufuhr [2]. Hinzukommende Spastik, epileptische Anfälle und gehäufte Erkrankungen sind energieverbrauchende Prozesse und verschlechtern die Ernährungsbilanz weiter. Ausgeglichen werden solche Energiedefizite häufig durch hochkalorische Zusatznahrungen, die allerdings von den Personen unterschiedlich akzeptiert werden. Aufgrund schwerer Kau- und Schluckstörungen sowie andauernder Mangel- bzw. Unterernährung werden viele Menschen mit komplexer Behinderung zusätzlich oder hauptsächlich über eine Magensonde ernährt.
Essen und Trinken am Lebensende
Angesichts einer schweren, progredient verlaufenden Erkrankung bzw. in einer palliativen Situation wird es dazu kommen, dass es Menschen mit komplexer Behinderung noch schwerer fällt zu essen, Nahrung nicht gut vertragen wird oder aus anderen Gründen Essen und Getränke abgelehnt werden.
Wie damit umzugehen ist, stellt Eltern, Angehörige, pädagogische und medizinisch-pflegerische Mitarbeitende vor zentrale Fragen, ist oft Anlass für Diskussion und braucht unter Umständen eine ethische Fallbesprechung.
Es ist zunächst wichtig zu wissen, welche Ursachen das Ablehnen bzw. die zunehmende Unverträglichkeit von Nahrung am Lebensende haben können und ob hier Abhilfe möglich ist.
Ursachen, die durch die fortschreitende Erkrankung bedingt sind, können sein:
- Zunahme von Kau- und Schluckstörungen, Reflux
- allgemeine Schwäche, nicht mehr gut sitzen können oder den Oberkörper oder den Kopf nicht halten können
- zunehmende Schmerzen
- Obstipation oder Obstruktion (Verschlüsse) im Magen- und Darmbereich
- Ängste, Depressionen
Ursachen, die durch Behandlungen (Medikamente, Chemotherapie, Operationen) verursacht werden können:
- Entzündungen im Mundbereich (Soor- und andere Pilzinfektionen)
- Austrocknung im Mund
- Störung des Geschmacksempfindens, Geschmacksveränderungen,
- Übelkeit
- Schwäche
- Obstipation, Verwirrtheit und Orientierungsschwierigkeiten evtl. bei der Gabe von Opiaten
Um das Schwächerwerden am Lebensende so lange wie möglich heraus zu zögern, sollte eine Person ausreichend essen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Menschen zur Nahrungsaufnahme zu motivieren. Hier sind einige genannt:
- Vorlieben nachkommen, das Lieblingsessen anbieten!
- Kleine (und dann wenn möglich häufigere) Mahlzeiten anbieten!
- Das Kauen und Schlucken erleichtern, z.B. durch fein pürieren, Getränke andicken oder Trinken über eine Saugflasche anbieten.
- Essen und Trinken in der Gemeinschaft kann motivierender sein.
- Aber auch Essensverweigerung akzeptieren und keinen Druck oder Zwang aufbauen.
Verweigerung von Essen und Trinken
Wenn ein Mensch immer wieder anzeigt, dass er nicht essen möchte, sind folgende Fragen hinsichtlich einer Entscheidung, wie damit umzugehen ist, hilfreich:
- Wie ist die Prognose der Erkrankung einzuschätzen? Welche voraussichtliche Lebenserwartung hat die Person?
- Was ist der (mutmaßliche) Wunsch des Menschen mit komplexer Behinderung?
- Verspürt der Mensch (überhaupt) Hunger?
- Für wen ist es wichtig, dass der Patient isst? [3]
Wenn ein Mensch zu seinen Wünschen keine oder nur sehr vage Aussagen machen kann, sollten diese Fragen von Bezugspersonen, Mitarbeiter*innen, Angehörigen, gesetzlichen Betreuer*innen und Ärzt*innen im Team besprochen werden bzw. im Prozess einer ethischen Entscheidungsfindung beantwortet werden.
Im weiteren Krankheitsverlauf werden Menschen zunehmend Essen ablehnen. Dies ist anzuerkennen. Die Verdauungsorgane verlangsamen wie alle anderen Organe ihre Tätigkeit und können größere Nahrungsmengen nicht mehr verarbeiten. Es sollte leichte Kost, von der man weiß, dass die Person sie gerne isst, angereicht werden.
Im Sterbeprozess sollte die Nahrungszufuhr eingestellt werden, um den Organismus nicht zusätzlich zu belasten.
Um das Schwächerwerden am Lebensende so lange wie möglich heraus zu zögern, sollte eine Person ausreichend essen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Menschen zur Nahrungsaufnahme zu motivieren. Hier sind einige genannt:
- Vorlieben nachkommen, das Lieblingsessen anbieten!
- Kleine (und dann wenn möglich häufigere) Mahlzeiten anbieten!
- Das Kauen und Schlucken erleichtern, z.B. durch fein pürieren, Getränke andicken oder Trinken über eine Saugflasche anbieten.
- Essen und Trinken in der Gemeinschaft kann motivierender sein.
Aber auch Essensverweigerung akzeptieren und keinen Druck oder Zwang aufbauen.
Umgang mit Sondenernährung
Das Legen einer PEG Magensonde in palliativen Situationen ist abzulehnen. Die Entscheidung darüber bedarf unter Umständen ebenfalls eine ethische Fallbesprechung.
Bei Sondenernährung sollte die Nahrungsmenge ebenfalls reduziert werden. Außerdem müssen die Äußerungen eines Menschen beim und nach dem Sondieren gut beobachtet werden.
Die Entscheidung, wann eine Sondenernährung beendet wird, ist häufig nicht einfach und muss, wenn der Mensch dies nicht kann, von seinem gesetzlichen Betreuer in Absprachen und im Einklang mit behandelnden Ärzt*innen, langjährigen Mitarbeiter*innen, Angehörigen und Freunden, die die Person gut kennen, entschieden werden.
Flüssigkeitszufuhr
Ganz ähnlich stellen sich diese Fragen bei der Flüssigkeitszufuhr.
Auch die Aktivität der Nieren ist am Lebensende reduziert. Wird also Flüssigkeit oral, über eine Sonde oder über eine Infusion zugeführt, sind die Nieren meist nicht mehr fähig, diese wieder auszuscheiden, und der Körper lagert Flüssigkeit in Gewebe, wie z.B. in die Lungen, ein. Allerdings können im gesamten Körper Ödeme entstehen, die den Menschen zusätzlich belasten. Sterbende Menschen verdursten nicht, weil sich der Organismus auf einen immer geringer werdenden Flüssigkeitshaushalt einstellt und kaum mehr Flüssigkeit benötigt. [4]
Die Entscheidung die Flüssigkeitszufuhr zu reduzieren bzw. einzustellen, müssen genauso, wie bei der Entscheidung zur Reduktion oder zum Beenden der Nahrungszufuhr, die rechtlichen Betreuer*innen im Sinne der Person mit komplexer Behinderung treffen. Dazu brauchen diese aber immer einen gemeinsamen Prozess der Unterstützung, Beratung und Abwägung mit Angehörigen, Mitarbeitenden, die die Person lange kennen sowie Ärzt*innen und anderen medizinisch-pflegerischen Betreuungspersonen.
Die Entscheidung, die Flüssigkeitszufuhr einzustellen, geht für Eltern und Angehörigen oft mit Gefühlen von Entzug von Fürsorge und Zuwendung sowie mit Schuldfragen einher.
Wichtig ist deshalb zu wissen, was gegen eine Flüssigkeitsgabe am Lebensende spricht:
- Überforderung des Organismus, dessen Funktionen im Sterbeprozess abnehmen bzw. in Reduktion begriffen sind
- Gefahr der Überwässerung und Ödembildung, diese können eine Dekubitusgefahr und eine Herzbelastung fördern
- Mit zunehmender Dehydration werden körpereigene Endorphine freigesetzt, die insgesamt das Leiden des Betroffenen lindern [5].
Die nachfolgende Tabelle zeigt die Auswirkungen einer künstlichen Flüssigkeitszufuhr auf die verschiedenen Probleme im Sterbeprozess.