Praxis Palliativ Care

Mundpflege

Seitenbild-Mundpflge: Ein horizontales Bild, das drei Zahnbürsten auf einer weißen Oberfläche zeigt. Von links nach rechts: eine Bambuszahnbürste mit Borsten, eine Holzzahnbürste mit Holzborsten und eine Miswak-Stäbchenzahnbürste.

Der Mund – ein wichtiger Entwicklungsbereich

Ein Mensch sollte seinen Mundbereich, auch unter den schwierigen Umständen einer palliativen Situation, positiv erfahren können [1]. Hierzu ist eine aktivierende und positiv stimulierende Mundpflege, welche die Ressourcen und Gewohnheiten der Menschen mit den pflegerisch-therapeutischen Maßnahmen der Pflegenden vereint, notwendig.

Wenn Menschen nicht mehr essen und trinken können, werden die Mundpflege und stimulierende Angebote umso wichtiger.

Bedingt durch Flüssigkeitsmangel, Mundatmung aber auch durch Fieber, Infektionen, die Gabe von Medikamenten, wie Opioide oder Psychopharmaka, trocknet die Mundschleimhaut aus. Dies wird als sehr unangenehm erlebt und kann außerdem dazu führen, dass sich Borken und Beläge bilden und Entzündungen sowie Infektionen entstehen [2]. Mundtrockenheit wird oft mit dem Bedürfnis nach Trinken gleichgesetzt. Diese sollten allerdings am Lebensende vermieden bzw. sehr gering gehalten werden. Wie schon beschrieben, belasten Flüssigkeitsgaben (egal ob sie oral, über Sonde oder Infusion gegeben werden) den Organismus und können zu Wassereinlagerungen führen.

Es wird deshalb empfohlen, die Mundschleimhaut regelmäßig zu befeuchten. Dies reduziert das Durstgefühl, hält die Mundschleimhaut geschmeidig und beugt den o.g. Problemen vor.

Besonderheiten der Mundpflege bei komplexer Behinderung

Angesichts einer schweren, progredient verlaufenden Erkrankung bzw. in einer palliativen Situation wird es dazu kommen, dass es Menschen mit komplexer Behinderung noch schwerer fällt zu essen, Nahrung nicht gut vertragen wird oder aus anderen Gründen Essen und Getränke abgelehnt werden.

Wie damit umzugehen ist, stellt Eltern, Angehörige, pädagogische und medizinisch-pflegerische Mitarbeitende vor zentrale Fragen, ist oft Anlass für Diskussion und braucht unter Umständen eine ethische Fallbesprechung.

Es ist zunächst wichtig zu wissen, welche Ursachen das Ablehnen bzw. die zunehmende Unverträglichkeit von Nahrung am Lebensende haben können und ob hier Abhilfe möglich ist.

Ursachen, die durch die fortschreitende Erkrankung bedingt sind, können sein:

  • Zunahme von Kau- und Schluckstörungen, Reflux
  • allgemeine Schwäche, nicht mehr gut sitzen können oder den Oberkörper oder den Kopf nicht halten können
  • zunehmende Schmerzen
  • Obstipation oder Obstruktion (Verschlüsse) im Magen- und Darmbereich
  • Ängste, Depressionen

Ursachen, die durch Behandlungen (Medikamente, Chemotherapie, Operationen) verursacht werden können:

  • Entzündungen im Mundbereich (Soor- und andere Pilzinfektionen)
  • Austrocknung im Mund
  • Störung des Geschmacksempfindens, Geschmacksveränderungen,
  • Übelkeit
  • Schwäche
  • Obstipation, Verwirrtheit und Orientierungsschwierigkeiten evtl. bei der Gabe von Opiaten

Um das Schwächerwerden am Lebensende so lange wie möglich heraus zu zögern, sollte eine Person ausreichend essen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Menschen zur Nahrungsaufnahme zu motivieren. Hier sind einige genannt:

  • Vorlieben nachkommen, das Lieblingsessen anbieten!
  • Kleine (und dann wenn möglich häufigere) Mahlzeiten anbieten!
  • Das Kauen und Schlucken erleichtern, z.B. durch fein pürieren, Getränke andicken oder Trinken über eine Saugflasche anbieten.
  • Essen und Trinken in der Gemeinschaft kann motivierender sein.
  • Aber auch Essensverweigerung akzeptieren und keinen Druck oder Zwang aufbauen.

Maßnahmen zur Mundpflege

Mundbefeuchtung

Zur Mundbefeuchtung und zur Anregung des Speichelflusses eignen sich folgende Maßnahmen:

  • Gefrorene, kleine Fruchtstücke können zum Lutschen gereicht oder in eine Kompresse gewickelt in den Mund gelegt werden, so dass sie mit dem Ende der Kompresse wieder aus dem Mund gezogen werden können. Dazu eignen z.B. Ananas, aber auch Orangen oder Zitronen [5].
  • Beliebte Getränke, wie Fruchtsäfte, Cola, Bier, Sekt etc., können eingefroren werden und ebenfalls als Stückchen oder in einer Mullkompresse in den Mund gegeben werden.
  • Fruchtbonbons (mit Zitrusgeschmack) oder Kaugummi (Minze) können gegeben werden, wenn ein Mensch die Kompetenzen zum Lutschen hat.

Eine gute Möglichkeit, die Mundschleimhaut zu befeuchten, ist ein Sprühfläschchen. So kann Flüssigkeit in geringer Menge und ohne große Manipulation in den Mundraum gebracht werden. Mundpflegestäbchen, die mit Flüssigkeit getränkt sind, eignen sich gut um Wangentaschen und Zahnreihen zu reinigen. Wenn die Person wach ist und die Fähigkeit dazu hat, kann sie auch am kleinen Schwamm des Stäbchen saugen. Eine Kompresse, die man um den Finger wickelt und mit der Mundpflegelösung benetzt, kann ebenfalls eine gute Möglichkeit sein, den Mundraum zu reinigen und zu befeuchten [6].

Eine Mundbefeuchtung ist mit verschiedenen Flüssigkeiten und therapeutischen Lösungen möglich:

  • Wasser, Kaffee, Tee, Sekt, Bier, etc.
  • Therapeutische Kräuteröle (z.B. Helago®-Pflege-Öl)
  • Mundpflegelösungen (z.B. Panthenollösung)
  • Mundbalsam (z.B. Wala®) [7]

Die weit verbreiteten Lemonsticks zur Mundpflege sind für die Behandlung von Mundtrockenheit nicht geeignet, da das enthaltene Glycerin wasserbindend wirkt und die Mundschleimhaut somit noch zusätzlich ausgetrocknet wird [8]. Des Weiteren ist ihr Geschmack intensiv und künstlich.

Tee als Therapeutikum

Unterschiedliche Teesorten lassen sich gut und einfach als Mundpflegemittel bei bestimmten Indikationen verwenden. Es sollte aber möglichst loser Tee aus der Apotheke benutzt werden, er enthält mehr Wirkstoff.

  • Kamillentee wirkt entzündungshemmend, desinfizierend, beruhigend und schmerzlindernd bei Entzündungen des Mund- und Rachenraums und des Zahnfleischs.
  • Salbeitee wirkt desinfizierend und adstringierend (zusammenziehend) bei Entzündungen des Mund- und Rachenraums, Stomatitis, bei Tumorwachstum und -zerfall im Mund- und Rachenraum, bei Soorinfektionen, Mundgeruch.
  • Thymiantee wirkt durchblutungsfördernd, desinfizierend, desodorierend bei Entzündungen des Mund- und Rachenraums, Soorinfektionen und Mundgeruch.
  • Ringelblumentee wirkt desinfizierend, adstringierend, abwehrsteigernd bei Entzündungen, Soorinfektionen und Blutungsneigung im Mund- und Rachenraum. [9]

Ablösung von Borken und Belegen

Zur Ablösung der Borken und Beläge können verwendet werden:

  • Eine weiche Zahnbürste mit Wasser und Zahnpasta zum vorsichtigen Reinigen.
  • Sahne, Olivenöl, Butter (allerdings können diese ranzig werden und Mundgeruch verstärken).
  • Helago®-Pflege-Öl mehrmals täglich einige Tropfen unverdünnt auf die  belegten Stellen geben.
  • Vitaminbrausetabletten, andere Brausepulver lösen Beläge und Borken.  Diese Maßnahme ist allerdings nicht geeignet bei Menschen mit Schluckstörungen!
  • Rosenhonig weicht Borken und Belege auf [10].

Maßnahmen bei Entzündungen

Entzündliche Prozesse (z.B. in Form von schmerzhaften Aphten, Rhagaden und Bläschen) und Soor im Mundraum können entstehen bei Tumoren im Mundrachenraum oder als Nebenwirkung von Chemo- und Radiotherapie. Zur Behandlung eignen sich folgende Maßnahmen

  • Spülungen oder Auswischen des Mundes mit Salbeitee
  • Helago®-Pflege-Öl, Ratanhia-Tinktur, Sanddornfruchtfleischöl (1 Tr. mehrmals täglich im Mund zergehen lassen)
  • Bombastus-Mundwasser, das stark verdünnt angewendet wird und auch bei Rhagaden im Mund nicht schmerzt (30 Tr./100 ml Wasser)
  • Mundpflegelösungen mit Panthenol, Salviathymol N® Madaus, Kamillenextrakten
  • Bei Pilzinfektionen (Soor) hilft neben Salbeitee ebenfalls Bombastus-Mundwasser (50 Tr./100 ml Wasser) oder Mulgatol® Junior Gel, häufig ist aber außer der lokalen fungiziden Therapie mit Nystatinpräparaten auch eine systemische Therapie nötig.
  • Bei Entzündungen des Zahnfleischs haben sich Sanddornfruchtfleischöl (1 Tr. mehrmals täglich im Mund zergehen lassen), Zahnfleischbalsam von Weleda, Einreiben oder Spülung mit Salbeitee bewährt.
  • Entzündliche Prozesse und Soorinfektionen im Mundraum sind meist sehr schmerzhaft. Neben einer evtl. Gabe von Analgetika wirken anästhesierende Gels oder Lutschtabletten lindernd, auch das Lutschen von Eisstückchen wird als angenehm erlebt [11].
  • Eine Lippenpflege sollte am besten mit Panthenolsalbe oder mit flüssigem Honig erfolgen. Ungeeignet hingegen sind Vaseline oder Lippenpflegestifte [12].

[1] vgl. Bienstein & Fröhlich 2012, S. 196 [2] vgl. Schmid & Kränzle, 2010, S. 234 [3] vgl. Schlichting, Gehlhaus & Nüßlein 2023, S. 49 [4] vgl. Schmid, Kränzle, 2010, S. 235 [5] vgl. ebd. und Walper, 2016, S. 145f. [6] vgl. Krenn, 2013, S. 41 [7] vgl. Schmid & Kränzle, 2010, S. 235 [8] vgl. ebd. [9] vgl. Schmid & Kränzle, 2010, S. 236 [10] Leitlinien der DGP Sektion Pflege  [11] vgl. Schmid & Kränzle, 2010, S. 236 [12] vgl. ebd.

Bienstein, C., Fröhlich, A. (2012): Basale Stimulation in der Pflege. Die Grundlagen. 7. korrigierte, überarb. und ergänzte Aufl., Bern: Huber.

Leitlinien der DGP Sektion Pflege: Mundpflege in der letzten Lebensphase. [Zugriff am 25.03.2024].

Schlichting, H.; Gelhaus, M.; Nüßlein, F. (2023):  Herausforderung Schmerzen bei Menschen mit geistiger und Komplexer Behinderung. Marburg: Lebenshilfe.

Schmid, U., Kränzle, S., Riehm, C., Kutzner, M., Hill, S. (2010): Grundlagen und Besonderheiten der palliativen Pflege. In: Palliative Care. Springer, Berlin, Heidelberg.

Walper, H. (2016): Basale Stimulation in der Palliativpflege. München: Ernst Reinhardt, Mundpflege S. 145-150.