Alltagssituation Mittagessen

KONKRETISIERUNG  ·  Alltagssituation Mittagessen

 

SACHASPEKTE UND POTENZIAL
IMPULSFRAGEN

Wie kann das Mittagessen so gestaltet werden, dass es als Situation in Gemeinschaft erlebt wird?

Wie kann das Anreichen der Mahlzeit so erfolgen, dass möglichst viel Raum für Selbstbestimmung bleibt?

Wie können trotz des häufig bereits vorbereiteten Essens die Vorlieben der Beschäftigten berücksichtigt werden?

Wie können auch die Beschäftigten, die über eine Sonde ernährt werden, Teil der Tischgemeinschaft sein?

DIFFERENZIERUNG
  • Bei verminderter Körperwahrnehmung regelmäßig Getränke anbieten
  • auf die Essenssituation vorbereiten (De-Sensibilisierung des Mundraums, Essbesteck zur Erkundung anbieten)
  • unterschiedliche Konsistenzen und Temperaturen des Essens anbieten, um eine bessere Wahrnehmung des Essens im Mund- und Rachenraum zu ermöglichen
  • Erkundung des Essens mit den Händen und im Mund anbieten
  • Teller, Besteck und Glas immer gleich positionieren, um Orientierung zu ermöglichen
  • unterschiedliche Komponenten des Essens immer gleich anordnen (z. B.  Fleisch oben auf dem Teller, Gemüse rechts, Sättigungsbeilage links)
HANDLUNGSLEITENDE PRINZIPIEN
  • Mitarbeiter_in nimmt Assistenzrolle ein
  • Individuelle Vorlieben in Bezug auf Konsistenz und Geschmack des Essens berücksichtigen
  • individuelles Zeitlassen beim Essen ermöglichen (Zeit für Pausen und Unterhaltungen)
  • mitbestimmen können, wie die Tischsituation gestaltet wird
  • aussuchen können, ob alleine oder in der Gruppe gegessen wird
  • Essen und Getränke im Rahmen der Möglichkeiten mit auswählen lassen
  • auf eine erwachsenengemäße Ansprache achten
  • Biografische Erfahrungen berücksichtigen
  • Ablehnen des Essens und die einseitige Auswahl von Nahrungsmitteln akzeptieren
  • Orientierung über den geplanten Ablauf geben (Tisch decken, Essen, Tisch abräumen)
  • Kommunikationsimpulse in der Essenssituation aufgreifen (z. B. in Pausen; abwehrendes Verhalten)
  • Absprachen zwischen den Mitarbeiter_innen treffen, wie die Situation mit den einzelnen Beschäftigten gestaltet werden soll, um Orientierung zu bieten
  • Zuständigkeiten im Notfall klären (z. B. bei Verschlucken oder Erbrechen)
  • für eine angenehme Atmosphäre am Tisch sorgen (den Tisch ansprechend eindecken, eine Sitzordnung finden, die zum Austausch anregt oder die notwendige Ruhe und Intimität schafft)
  • Orientierung ermöglichen durch Routinen und Rituale (z. B. individuellen Rhythmus finden, in dem das Essen angereicht wird; unabhängig von Mitarbeiter_innen einen gleichbleibenden Ablauf gewährleisten)
  • Vorlieben und Abneigungen beachten (z. B. hinsichtlich des Geschmacks, der Konsistenz)
  • Sensibilitätsstörungen im und am Mund berücksichtigen
  • Zeitdruck während des Essens vermeiden
  • Handlungsorientierung ermöglichen (z. B. durch Routinen, Bildkarten, Besprechen des Ablaufs)
  • Möglichkeiten schaffen, Teilschritte selbstständig auszuführen (z. B. durch angepasstes Besteck, Bildkarten, die helfen den Tisch zu decken)
THEMENBEZOGENES WORTFELD
  • das Essen
  • das Mittagessen
  • das Frühstück
  • der Hunger
  • der Durst
  • essen
  • trinken
  • schmecken
  • lecker
  • nicht lecker
  • süß
  • salzig
  • Ich möchte noch mehr.
  • Das ist genug
  • Kannst Du mir mal … reichen?
  • Ich bin satt.
BEISPIELPLANUNG

Nachdem Frau Schmidt den Vormittag über in der Holzwerkstatt tätig war, kommt sie in die Gruppe zurück und wird hier von Frau Seefeld in Empfang genommen. Diese schiebt sie im Rollstuhl zu ihrem Platz am Tisch. Frau Schmidt bekommt einen Kleidungsschutz, da ihr manchmal etwas vom Löffel fällt, wenn sie diesen zum Mund führt. Frau Seefeld hilft ihr, den Rollstuhl so zu positionieren, dass sie gut an den Tisch herankommt. Eine andere Beschäftigte hat das Essen für die Gruppe aus der Küche abgeholt. Frau Schmidt wählt zwischen Schnitzel und Gemüselasagne aus und entscheidet sich, nachdem sie das Essen gesehen hat, für die Gemüselasagne. Diese schneidet sie mit Hilfe von Frau Seefeld so klein, dass sie sie gut essen kann. Hierbei hält Frau Schmidt den Teller fest und sagt, wie klein die Lasagne noch geschnitten werden soll. Frau Seefeld nimmt anschließend den Platz neben ihr ein. Als alle ihr Essen haben, beginnt Frau Schmidt zu essen. Mit Hilfe einer Tellerranderhöhung und einem Löffel mit verdicktem Griff gelingt es ihr, die Lasagne selbstständig zu essen. Frau Seefeld hilft ihr, den Becher mit Wasser zu füllen. Sie reicht ihr diesen an, wenn Frau Schmidt sie darum bittet. Während des Essens spricht Frau Seefeld nur wenig mit Frau Schmidt, da sie weiß, dass sich diese konzentrieren muss. Sie fragt lediglich nach, ob die Lasagne schmeckt. Nach etwa der Hälfte der Portion macht Frau Schmidt eine Pause und legt den Löffel kurz ab. Sie wendet sich Frau Seefeld auffordernd zu und beide unterhalten sich kurz über den Vormittag. Als Frau Schmidt wieder zum Löffel greift, um weiter zu essen, schlägt Frau Seefeld vor, dass sie sich nach dem Essen weiter unterhalten könnten, um sich jetzt wieder ganz auf das Essen zu konzentrieren. Nachdem der Tisch abgeräumt ist, unterhalten die beiden sich weiter über den Vormittag in der Holzwerkstatt und beziehen auch andere Beschäftigte ein, die ebenfalls dort gearbeitet haben.

Selbstbestimmung und Mitbestimmung

  • Frau Schmidt hat die Möglichkeit, aus unterschiedlichen Essen auszuwählen
  • Frau Schmidt kann mitentscheiden, wie klein das Essen geschnitten wird
  • Das Tempo des Essens wird von Frau Schmidt vorgegeben
  • Pausen werden von der Mitarbeiterin akzeptiert

Adressierung als Erwachsene

  • Frau Schmidt wird im Gespräch als Erwachsene adressiert (Kommunikation über Arbeitsalltag)

Kommunikation und Interaktion

  • Kommunikationszeichen werden angenommen
  • Möglichkeiten des Gesprächs werden eröffnet (in definierten „Zeiten“, um die Konzentration während des Essens nicht zu gefährden)

Respektvolle Haltung und Achtsamkeit

  • Die Mitarbeiterin positioniert den Rollstuhl so, dass das Essen möglichst leicht fällt
  • Die Mitarbeiterin zeigt Interesse am Alltag der Beschäftigten

Kompetenzerfahrung

  • Durch Besprechen des Ablaufs wird Frau Schmidt eine Handlungsorientierung gegeben
  • Frau Schmidt bekommt die Möglichkeit, selbstständig zu essen und Entscheidungen, die ihr Essen betreffen (wie klein wird es geschnitten etc.), selbst zu treffen
  • Frau Schmidt kann sich als Initiatorin für Gespräche erleben