Theoretische Grundlagen:
Kommunikation

Überblick


Kommunikation

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Experteninterview

Kommunikation bei Menschen mit schwerer Behinderung

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Birgit Hennig
Universität Oldenburg

Experteninterview

Kommunikation an Arbeits- und Bildungsorten

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Birgit Hennig
Universität Oldenburg

Experteninterview

Kommunikation

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Prof. Dr. Jens Boenisch
Universität zu Köln

Was ist Kommunikation?

  • Frau Maier und Frau Huber albern miteinander herum.
  • Frau Schmidt erklärt Herrn Schwarz den Weg zur Bushaltestelle.
  • Frau Meier sitzt in ihrem Rollstuhl und schlägt wiederholt mit der Hand auf den Tisch. Dabei erzeugt sie einen Rhythmus, den die Mitarbeiterin ihrer Gruppe aufnimmt. Frau Meier ändert den Rhythmus, die Mitarbeiterin steigt auch in diesen Rhythmus mit ein. Beide haben sichtlich Spaß an der Situation.
  • Herr Schneider und Herr Gerber unterhalten sich über das DFB-Pokalfinale und philosophieren darüber, ob die Entscheidungen des Schiedsrichters gerechtfertigt waren.

Kommunikationsvielfalt

Ganz allgemein kann Kommunikation definiert werden als „soziale Situation, in der sich zwei Personen in einer dynamischen Wechselbeziehung durch ihr Verhalten aufeinander beziehen und sich als autonome Partner gegenseitig beeinflussen.“ [1] Die einleitenden Beispiele veranschaulichen, wie vielfältig Kommunikation in diesem Sinne im Alltag in Erscheinung tritt.

Kommunikation – ein menschliches Grundbedürfnis

Kommunikation stellt ein menschliches Grundbedürfnis dar und trägt maßgeblich zum emotionalen Wohlbefinden bei [2]. Durch Kommunikation wird in unterschiedlicher Hinsicht Gemeinsamkeit hergestellt und gepflegt: Dies kann ein gemeinsames Thema sein, über das man sich austauscht, z. B. den Weg zur Bushaltestelle oder die Schiedsrichterleistung in einem Fußballspiel. Daneben kann in kommunikativen Situationen aber auch die Beziehung zu einer anderen Person und die Freude an der geteilten Situation im Mittelpunkt stehen, z. B. in Situationen, in denen man miteinander herumalbert oder in denen man einen Impuls vom anderen aufgreift und beantwortet. Kommunikation dient dann der Unterhaltung und der Herstellung und Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen [3]. Grundsätzlich lassen sich also zwei Motive für das Zustandekommen von Kommunikation unterscheiden: das gemeinsame Interesse an etwas und das Interesse aneinander [4].

Kommunikation ist multimodal

Kommunikation ist dabei bei allen Menschen multimodal angelegt, d. h., sie wird durch unterschiedliche Ausdruckmöglichkeiten realisiert. Hierzu zählen beispielsweise Blickbewegungen, Mimik, Sprache, Gestik, Körperhaltung, Gebärden, elektronische und nicht-elektronische Kommunikationshilfen oder auch Schriftsprache, die alleine oder in unterschiedlichen Kombinationen eingesetzt werden können, um mit anderen zu kommunizieren [5].

Die Entwicklung kommunikativer Fähigkeiten ist abhängig von Erfahrungen, die in sozialen Situationen gemacht werden, und lässt sich wie folgt darstellen:

Kommunikationswentwicklung [6]

Präintentionales Verhalten

Zu Beginn der Entwicklung kann das Verhalten als präintentional beschrieben werden. Es ist zunächst einmal Ausdruck von eigenen Bedürfnissen, wie Hunger, Durst oder Müdigkeit [7].

Durch die Reaktion der Bezugspersonen auf dieses Verhalten kann die Erfahrung gemacht werden, dass durch eigenes Verhalten eine Reaktion des Gegenübers hervorgerufen werden kann. Dieses erste Ursache-Wirkungs-Verständnis stellt einen wichtigen Meilenstein in der Entwicklung kommunikativer Fähigkeiten dar.

Intentionales Verhalten

Das eigene Verhalten kann so gezielt, also intentional, dazu eingesetzt werden, um mit anderen in Kontakt zu treten und Kommunikation zu initiieren. Mit dieser Entwicklung setzt auch das turn taking ein, also die Fähigkeit, sich in kommunikativen Situationen abzuwechseln. Mit dem Beginn der intentionalen Kommunikation wird auch das Verhaltensrepertoire, das für die Kommunikation genutzt wird, immer vielfältiger.

Triangulation

Triangulation ©

Ein weiterer Meilenstein in der Kommunikationsentwicklung ist die „Triangulation“. Die neue Qualität liegt hier darin, dass sich jemand nun gemeinsam mit einer anderen Person auf etwas Drittes bezieht, z. B. ein Spielzeug, ein Geräusch, eine Aktivität im Raum. Beispielsweise werden Blicke oder Zeigegesten genutzt, um eine andere Person auf einen Gegenstand aufmerksam zu machen [8]. Dabei ist die Kommunikation noch an die konkrete Situation, an das ‚Hier und Jetzt‘, gebunden. Es stehen noch keine Symbole, z. B. sprachliche Zeichen, zur Verfügung, mit denen man sich auf etwas anderes, z. B. auf Gegenstände, die sich nicht im Raum befinden, auf vergangene oder zukünftige Aktivitäten, beziehen kann. Das kommunikative Handeln wird daher in dieser Phase als vorsymbolisch bezeichnet [9].

Symbolisches Handeln

Der Übergang zum symbolischen Handeln stellt einen weiteren entscheidenden und anspruchsvollen Schritt in der Kommunikationsentwicklung dar. Hierzu ist es notwendig, Symbole zu verstehen und zu gebrauchen, also die grundlegende Einsicht zu gewinnen, dass ‚etwas‘ für ‚etwas anderes‘ stehen kann. Wörter, Gebärden oder Piktogramme, die etwas Bestimmtes bezeichnen, können dann genutzt werden, um sich mit anderen – auch mit fremden Personen – über etwas zu verständigen. Mit dem Ausbau des Wortschatzes, der Ableitung und Anwendung von bestimmten Regeln, z. B. zur Bildung bestimmter Satzstrukturen, und durch den Aufbau von explizitem Wissen über Sprache bzw. über andere Symbolsysteme wird Kommunikation schließlich immer differenzierter [10].

Wechselwirkung zwischen persönlichen Kompetenzen und sozialem Umfeld

Die beschriebenen kommunikativen Fähigkeiten entstehen dabei nicht automatisch durch Reifung, sondern entwickeln sich insbesondere dadurch, dass kommunikative Erfahrungen gemacht werden [11]. Dem sozialen Umfeld kommt also eine zentrale Rolle bei der Entwicklung kommunikativer Fähigkeiten zu. Darüber hinaus haben auch bestimmte Ausgangsbedingungen der Person selbst, z.B. im Bereich der Wahrnehmung, Kognition und Motorik, einen Einfluss auf die Kommunikation, können diese unterstützen oder auch erschweren. Folgendes Schaubild zeigt dieses Bedingungsgefüge:

Einflussfaktoren auf die Kommunikationsentwicklung [12]

  • Beeinträchtigungen in den verschiedenen Entwicklungsbereichen bestimmen also mit darüber, wie eine Person kommunizieren kann. Wenn beispielsweise starke motorische Einschränkungen vorliegen, sind Gesten und möglicherweise auch der Einsatz von Mimik oder das Halten von Blickkontakt erschwert. Bei einer starken Sehbeeinträchtigung kann es sein, dass eine weitere Person im Raum nicht oder nur eingeschränkt wahrgenommen werden kann oder es schwierig ist, sich mit einer anderen Person gemeinsam auf etwas Drittes zu beziehen [13].
  • Darüber hinaus können auch die vorhandenen körperbezogenen Ausdrucksmöglichkeiten einer Person mehr oder weniger stark verändert sein, z. B. können Gesten durch eine vorhandene Spastik von üblichen Zeigegesten abweichen. Dies kann wiederum Auswirkungen auf die Art und Weise haben, wie das soziale Umfeld auf die Signale dieser Person reagiert. Menschen mit schwerer Behinderung machen so oft die Erfahrung, nicht als aktive Kommunikationspartner_innen wahrgenommen zu werden, weil ihre kommunikativen Signale nicht oder nicht adäquat beantwortet werden. Dies kann dazu führen, dass sich Menschen mit schwerer Behinderung zunehmend zurückziehen und in soziale Isolation geraten [14].

Welche Bedeutung hat Kommunikation für die Arbeit mit Menschen mit schwerer Behinderung?

Kommunikationsanlässe schaffen

Kommunikation ist ein menschliches Grundbedürfnis und erfüllt im Alltag unterschiedliche Funktionen: Sie dient nicht nur dem Informationsaustausch, sondern ermöglicht es auch, mit anderen Menschen Kontakt aufzunehmen und Beziehungen zu pflegen. An Arbeits- und Bildungsorten für Menschen mit schwerer Behinderung ergibt sich daraus die Aufgabe, vielfältige Kommunikationsanlässe zu schaffen und gegenseitiges Verstehen zu unterstützen. Ziel ist es nicht nur, die kommunikativen Fähigkeiten der Beschäftigten weiter zu fördern, sondern auch bereits vorhandene kommunikative Signale im Alltag aufzugreifen und zu beantworten.

Unterschiedliche kommunikative Kompetenzen berücksichtigen

Dabei müssen gerade an Arbeits- und Bildungsorten für Menschen mit schwerer Behinderung sehr unterschiedliche kommunikative Fähigkeiten berücksichtigt werden. Intentionale Kommunikation und der Austausch von Informationen auf der Symbolebene setzen eine Vielzahl von Kompetenzen voraus, über die nicht alle Menschen mit schwerer Behinderung verfügen [15]:

„Menschen mit schwerster Behinderung sind im Gebrauch und Verständnis der kommunikativen Mittel, wie wir sie normalerweise in unserem Alltag verwenden, meist stark eingeschränkt, z. B. durch fehlende Mittel der lautsprachlichen Verständigung, eine eingeschränkte Mimik, eingeschränkte motorische Möglichkeiten oder zusätzliche Beeinträchtigungen der Sinne. Das Zustandekommen dialogischer und kommunikativer Prozesse unter diesen erschwerten Voraussetzungen erfordert eine hohe Anpassungsleistung an die spezifischen Ausgangsbedingungen der Interaktion, die am Anfang des Entwicklungsprozesses zu einem großen Teil von Seiten der nichtbehinderten Kommunikationspartner erbracht werden muss.“ [16]

Individuelle Kommunikationsformen und Signale verstehen und angemessen reagieren

Es stellt hohe Anforderungen an die Kommunikationspartner_innen, trotz dieser sehr unterschiedlichen Ausgangsbedingungen, der unterschiedlichen Wege und Formen von Kommunikation wechselseitiges Verstehen zu ermöglichen und Gemeinsamkeit herzustellen. Die kommunikativen Äußerungen von Menschen mit schwerer Behinderung sind mitunter nur schwer und oft nicht eindeutig interpretierbar, insbesondere dann, wenn noch keine konventionellen und damit allgemein verständlichen Zeichen genutzt werden. Hier ist es dann oft notwendig, das kommunikative Verhalten einer Person über einen längeren Zeitraum systematisch zu beobachten, ggf. auch videogestützte Beobachtungen zu nutzen, um die individuellen Signale einer Person zuverlässiger deuten zu können. Darüber hinaus erfordert auch die Aufnahme und Aufrechterhaltung von Kommunikation mehr Zeit, weil Menschen mit schwerer Behinderung oft nicht so schnell auf kommunikative Angebote reagieren können und das turn taking verzögert abläuft. Die Beschäftigten sind also in vielerlei Hinsicht davon abhängig, dass Mitarbeiter_innen sich auf diese Bedingungen einstellen, damit Kommunikation gelingen kann [17].

Mitteilungen Bedeutung zuweisen

Im Fall von vorsymbolischen Kommunikationsformen ist es von besonderer Bedeutung, dass den Äußerungen der jeweiligen Person ein Mitteilungscharakter zugesprochen wird und die nonverbalen und damit oft ‚leiseren‘ Signale im Alltag nicht übersehen werden. Auch bei vorsymbolischen Kommunikationsformen liegt das Ziel in der Herstellung von Gemeinsamkeit im Austausch – insbesondere über das Interesse aneinander oder an einem gemeinsamen Gegenstand [18].

Bedeutsame Ereignisse aus der Vergangenheit und Zukunft thematisieren

Bei Personen, die vorsymbolisch kommunizieren, ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass sich diese im Rahmen ihrer kommunikativen Möglichkeiten nur auf Dinge beziehen können, die in der jeweiligen Situation direkt verfügbar sind. Zukünftiges und auch Vergangenes, also Wünsche, Erinnerungen und sonstige Informationen, die außerhalb dieser Situation liegen, aber für diese Person von Bedeutung sind, lassen sich so nicht oder nur eingeschränkt thematisieren [19]. Entsprechend kommt den Mitarbeiter_innen die besondere Verantwortung zu, in Abstimmung mit anderen Bezugspersonen besondere biografische Erfahrungen, Vorlieben, Abneigungen und Wünsche, zu denen sich die Beschäftigten selbst nicht äußern können, zu dokumentieren, um diese im Alltag berücksichtigen zu können (→ Orientierungsplan: Biografiearbeit, Älterwerden, Erwachsensein).

Konzepte zur Kommunikationsförderung

Unterschiedliche Konzepte liefern Anhaltspunkte, wie gelingende kommunikative Situationen auch mit Menschen mit schwerer Behinderung gestaltet werden können, auch wenn diese bislang nur über sehr basale kommunikative Fähigkeiten verfügen. Beispielhaft können hier folgende Ansätze genannt werden:

  • Basale Kommunikation nach Winfried Mall
  • Elementare Beziehung nach Barbara Fornefeld
  • Somatischer Dialog nach Andreas Fröhlich
  • Intensive Interaction nach Dave Hewett (→ Orientierungsplan: Kommunikation)

Unterstützte Kommunikation

Darüber hinaus gibt die Unterstützte Kommunikation (UK) Anregungen, wie die kommunikativen Möglichkeiten einer Person systematisch erweitert werden können. Unterstützte Kommunikation umfasst dabei „alle pädagogischen und therapeutischen Maßnahmen, die eine Erweiterung der kommunikativen Möglichkeiten bei Menschen ohne (oder mit stark eingeschränkter) Lautsprache bezwecken“. [20]

Hierzu zählen sowohl Kommunikationsformen, die die Lautsprache ergänzen, als auch solche, die die Lautsprache ersetzen, beispielsweise Gebärden oder Geräte mit Sprachausgabe, die über Schrift oder Symbole gesteuert werden [21].

Kommunikationsmittel

BIGmack

Step-by-Step

GoTalk

Super Talker

Dynavox

PowerLink

Taster

Talk Points

Elektronische Kommunikationshilfen mit unterschiedlicher Komplexität

Elektronische Kommunikationshilfen können unterschiedlich komplex sein und verschiedene Funktionen erfüllen: Während z. B. mit Hilfe eines BIGmack oder eines Step-by-Step aufgesprochene Botschaften abgespielt werden können, bieten elektronische Kommunikationssysteme wie GoTalk oder auch komplexere Talker die Möglichkeit, eigenständig Äußerungen zu formulieren. Darüber hinaus können unterschiedliche Hilfsmittel, z. B. der PowerLink, zur Steuerung elektronischer Geräte eingesetzt werden, um auf diese Weise ein Ursache-Wirkungs-Verständnis anzubahnen bzw. weiter auszubauen [22].

Diese große Vielfalt an UK-Medien ermöglicht es, die Auswahl individuell an den Stand der Kommunikationsentwicklung und die motorischen bzw. sensorischen Fähigkeiten einer Person anzupassen. Insbesondere wenn Beschäftigte über ein Symbolverständnis verfügen und in der Lage sind, Symbolsysteme (z.B. Piktogramme, Gebärden)  zur Kommunikation zu nutzen, stellt die Unterstützte Kommunikation eine wichtige Stütze im Ausbau der kommunikativen Kompetenzen und bei der Ermöglichung eines kommunikativen Selbstausdrucks dar [23].

Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich daraus?

Selbstbestimmung

Folgende Chancen ergeben sich:

Die Anerkennung und Berücksichtigung der Kommunikationsbedürfnisse von Menschen mit schwerer Behinderung – auch von Personen, die noch präintentional kommunizieren – trägt ganz wesentlich zu einer Verbesserung ihrer Lebensqualität bei. Gerade weil Menschen mit schwerer Behinderung in vielen Bereichen ihres Lebens von der Unterstützung anderer abhängig sind, kommt gelingender Kommunikation auch für die Verwirklichung von Selbstbestimmung eine wichtige Bedeutung zu [24]. Umgekehrt wird auch der Grad der sozialen Abhängigkeit ganz wesentlich von den kommunikativen Möglichkeiten einer Person mitbestimmt [25]. Eine Verbesserung der Ausdruckmöglichkeiten und ein besseres Verständnis der kommunikativen Signale einer Person können dazu beitragen, ihre Bedürfnisse und Interessen besser erkennen zu können, um das eigene Handeln danach auszurichten. Förderung von Kommunikation bedeutet folglich immer auch die Ermöglichung von (mehr) Selbstbestimmung.

Zugang zu Bildungsangeboten

  • Kommunikation ist darüber hinaus auch für Bildungsprozesse von großer Bedeutung. Die Berücksichtigung der kommunikativen Möglichkeiten einer Person ist wichtig, um Bildungsangebote so zu gestalten, dass individuelle Zugänge zu bestimmten Themen und Aktivitäten ermöglicht werden.

Gemeinsamkeiten im Alltag

  • Kommunikation findet in jeder Situation statt. Das bedeutet, dass sich gerade alltägliche Momente dafür eignen, miteinander ‚ins Gespräch zu kommen‘ und Gemeinsamkeit im Austausch zu erleben. So wichtig ausgewiesene Zeitfenster zur Förderung der Kommunikation sind, so wichtig ist auch, die vielfältigen Kommunikationsanlässe im Alltag zu berücksichtigen und aufzugreifen, z. B. in Pflege- und Essenssituationen. In dieser Hinsicht kann jede Situation auch unter dem Aspekt ihrer kommunikativen Potenziale betrachtet werden. Voraussetzung dafür ist, dass sich alle Personen im Umfeld von Menschen mit schwerer Behinderung als potenzielle Dialogpartner_innen verstehen.

Herausforderungen stehen nicht nur in Zusammenhang mit dem komplexen Unterstützungsbedarf von Menschen mit schwerer Behinderung, durch den Kommunikation oft erschwert wird, sondern auch mit institutionellen Rahmenbedingungen:

Durchhaltevermögen und Geduld

  • Kommunikation auch dann aufrechtzuerhalten, wenn die kommunikativen Signale des Gegenübers schwer zu deuten sind, erfordert zuweilen viel Durchhaltevermögen. Dabei sind Menschen mit schwerer Behinderung häufig darauf angewiesen, dass ihr Umfeld sich auf die besonderen kommunikativen Bedingungen einlässt, bspw. auch mehr Zeit für den Austausch aufbringt und sich an das Tempo anpasst [26]. Der Anspruch an die Mitarbeiter_innen, kommunikatives Verhalten fortlaufend geduldig zu beobachten, zu interpretieren und angemessen zu beantworten, kann als Belastung wahrgenommen werden – gerade dann, wenn die institutionellen Rahmenbedingungen im Alltag eher reibungslose Abläufe erfordern. Die Gefahr ist groß, dass gerade nicht-sprachliche Äußerungen von Beschäftigten dann von vornherein übergangen werden. Entsprechend sind personelle Rahmenbedingungen, organisatorische Abläufe, aber auch Konzepte in Einrichtungen erforderlich, die dazu beitragen, dass Mitarbeiter_innen z. B. auch Essens- oder Pflegesituationen kommunikationsförderlich gestalten können.

Irritation durch veränderte Ausdrucksformen

  • Veränderte Kommunikationsformen sind oft auch mit Irritationen, Unsicherheiten und Missverständnissen im sozialen Miteinander verbunden [27]. Auch dies kann dazu führen, dass Mitarbeiter_innen den Kontakt mit bestimmten Beschäftigten eher meiden und im Alltag weniger kommunikative Angebote machen. Gerade wenn es in der Einrichtung wenig Raum für einen regelmäßigen Austausch im Team gibt, um die eigene Kommunikation mit einzelnen Beschäftigten reflektieren und ihre kommunikativen Signale besser verstehen zu können, besteht die Gefahr, die soziale Isolation dieser Personen ungewollt weiter zu verstärken.

Was ist notwendig, um das Thema ‚Kommunikation‘ in der Arbeit mit Menschen mit schwerer Behinderung berücksichtigen zu können?

„Es bleibt letztlich Aufgabe der Professionellen, Individualität von kommunikativer Absicht […] anzuerkennen und die Störung der Kommunikation immer als etwas zu begreifen, was beide Kommunikationspartner betrifft.“ [28]

Die bisherigen Ausführungen haben deutlich gemacht, dass eine gelingende Kommunikation neben den individuellen Kompetenzen einer Person in großem Maße auch davon abhängt, wie das Umfeld auf Kommunikationsimpulse reagiert und welche Ausdrucksformen beachtet bzw. ermöglicht werden. Um Kommunikation an Arbeits- und Bildungsorten zu realisieren, lassen sich folgende Gelingensbedingungen ableiten:

Beobachtung und Nutzung diagnostischer Instrumente

  • Die erschwerten Ausgangsbedingungen der Beschäftigten erfordern eine hohe Anpassungsleistung seitens der Mitarbeiter_innen. Gerade die nonverbalen kommunikativen Signale von Beschäftigten, die vorsymbolisch kommunizieren, bleiben im Alltag oft unbemerkt. Um auch diese bereits vorhandenen Kommunikationsmittel und -wege von Beschäftigten erkennen und aufgreifen zu können, ist es notwendig, gezielt kleinere Beobachtungen in den Alltag zu integrieren. Oft ist es schon hilfreich, wenn sich einzelne Mitarbeiter_innen nach Absprache im Team in einzelnen kürzeren Phasen aus dem Geschehen herausnehmen und bestimmte Beschäftigte im Kontakt mit anderen gezielt beobachten. Darüber hinaus können auch vorhandene Diagnostikbögen genutzt werden. Ein frei zugängliches Diagnostikmaterial stellt beispielsweise der Beobachtungsbogen zu kommunikativen Fähigkeiten – Revision dar.

Berücksichtigung der Heterogenität der kommunikativen Kompetenzen

  • Die große Heterogenität der Beschäftigten an Arbeits- und Bildungsorten macht es notwendig, sehr unterschiedliche kommunikative Kompetenzen auch bei der Gestaltung von Angeboten immer wieder bewusst einzubeziehen. Dabei stehen Mitarbeiter_innen z. B. in Situationen, in denen Informationen vermittelt werden, bspw. zum Tagesablauf, vor der Aufgabe, sowohl Beschäftigte mit sprachlichen Fähigkeiten als auch solche, die noch präsymbolisch kommunizieren, anzusprechen. Um ein solch breites Spektrum unterschiedlicher kommunikativer Fähigkeiten berücksichtigen zu können, ist es notwendig, dass sich die Mitarbeiter_innen in regelmäßigen Fortbildungen mit den Möglichkeiten der Unterstützten Kommunikation auseinandersetzen. Im Kontext der Unterstützten Kommunikation sind vielfältige Kommunikationsformen ‚jenseits von Sprache‘ entwickelt worden, die auch an Arbeits- und Bildungsorten für Menschen mit schwerer Behinderung genutzt werden können. Darüber hinaus ist es wichtig, sich auch im Team über die Kommunikationsangebote und UK-Medien in den verschiedenen Alltagssituationen auszutauschen und abzustimmen.

Reflexion der Kommunikationsangebote und -anlässe

  • Die Kommunikationssituationen, die im Alltag aufgegriffen oder auch gezielt gestaltet werden, sollten hinsichtlich ihrer Funktion hinterfragt und reflektiert werden: Gelingt es tatsächlich, auch Situationen zu schaffen, in denen Beziehungsaufbau und Freude an der kommunikativen Situation selbst im Mittelpunkt stehen, oder werden häufig nur einseitig Informationen vermittelt? Wie vielfältig sind die Kommunikationsanlässe? Werden die Beschäftigten z. B. auch dazu angeregt und dabei unterstützt, miteinander Kontakt aufzunehmen und zu kommunizieren?

Menschen mit schwerer Behinderung als aktive Kommunikationspartner agieren lassen

  • Durch den hohen Unterstützungsbedarf von Menschen mit schwerer Behinderung besteht auch in der Kommunikation zwischen Mitarbeiter_innen und Beschäftigten an Arbeits- und Bildungsorten immer eine gewisse Asymmetrie. Gerade aus diesem Grund sollten im Alltag gezielt Gelegenheiten geschaffen werden, in denen sich Menschen mit schwerer Behinderung als aktive Kommunikationspartner_innen erfahren können, z. B. indem sie selbst Kommunikation initiieren und beenden oder auch in den kommunikativen Austausch mit anderen Beschäftigten treten können [29]. Im Fall von Beschäftigten, die noch vorsymbolisch, ggf. auch präintentional kommunizieren, ist es wichtig, ihnen eine Mitteilungsabsicht zuzusprechen und ihre kommunikativen Signale zu beantworten. Auf diese Weise haben diese Beschäftigten die Chance, sich als selbstwirksam zu erfahren, und werden darin bestärkt, mit ihrer sozialen Umwelt in Kontakt zu treten.

Reflexion des eigenen Verhaltens

  • Je stärker ein Mensch in der Kommunikation auf die Interpretationen durch sein Umfeld angewiesen ist, desto größer ist auch „die latente Gefahr eines Machtmissbrauchs, beispielsweise in der Setzung von inhaltlichen Themen, in der vorschnellen und einseitigen Interpretation oder im Ignorieren unerwünschter Äußerungen.“ [30] Es ist daher bedeutsam, das eigene Verhalten in kommunikativen Situationen in den Blick zu nehmen und zu hinterfragen. Eine Reflexion des eigenen Verhaltens in der Kommunikation ist ein wichtiger Bestandteil professioneller Arbeit mit Menschen mit schwerer Behinderung und sollte in Einrichtungen auch durch Rahmenbedingungen und Konzepte gezielt gefördert werden. Eine hilfreiche Möglichkeit stellen in dieser Hinsicht kollegiale Fallberatungen dar (→ Theoretische Grundlagen: Reflexion).

Kommunikationsstrukturen im Team hinterfragen

  • Kommunikation findet nicht nur mit Beschäftigten statt, sondern auch im Team zwischen den Mitarbeiter_innen. Aus der gemeinsamen Aufgabe in der Begleitung der Beschäftigten ergibt sich die Notwendigkeit, sich auszutauschen und abzustimmen, angesichts vieler Alltagsroutinen auch ganz grundlegend überhaupt miteinander in Kontakt zu bleiben. Im Interesse einer kommunikationsförderlichen Atmosphäre in der Einrichtung ist es notwendig, auch die Kommunikationsstrukturen im Team zu hinterfragen und gezielt zu unterstützen [31].

Quellen

[1] Papousek & Papousek 1981, S. 230 zit. nach Hennig 2017, S. 265 [2] vgl. Hewett 2012, S. 12 [3] vgl. ebd. [4] vgl. Klauß 2007, S. 2 [5] vgl. Bernasconi & Böing 2015, S. 151 ff. [6] Eigene Darstellung in Anlehnung an Aktas 2012, S. 29-46 [7] vgl. Aktas 2012, S. 33 [8] vgl. Hennig 2017, S. 276 [9] vgl. Aktas 2012, S. 34 f. [10] vgl. ebd. S. 31 [11] vgl. Hennig 2017, S. 276 [12] vgl. Scheller 2007, S. 35 zit. nach Weid-Goldschmidt 2013, S. 13 [13] vgl. Pivit 2015, S. 01.012.001 [14] vgl. Boenisch 2016, S.92 [15] vgl. Hennig 2017, S. 274 [16] ebd. S. 273 [17] vgl. Bernasconi & Böing 2015, S. 153; Klauß 2007, S. 5 [18] vgl. Klauß 2002, S. 6 [19] vgl. Klauß 2007, S. 3 [20] Kirsten 1994 zit. nach Hennig 2017, S.273 [21] vgl. Wilken 2018, S.15 [22] vgl. Hennig 2017, S. 289 [23] vgl. Theilen 2009, S. 9 [24] vgl. Klauß 2007, S. 4 [25] vgl. Weid-Goldschmidt 2013, S. 23 [26] vgl. Bernasconi & Böing 2015, S. 153 [27] vgl. ebd. [28] ebd., S. 167 [29] vgl. Theilen 2009, S. 32 [30] Bernasconi & Böing 2015, S. 168 [31] vgl. Klauß 2007, S. 8

Literatur

Aktas, M. (2012): Sprachentwicklung. Theoretische Grundlagen. In: Aktas, M. (Hg.): Entwicklungsorientierte Sprachdiagnostik und -förderung bei Kindern mit geistiger Behinderung. Theorie und Praxis. 1. Auflage. München: Elsevier Urban & Fischer, S. 7–46.

Bauersfeld, S. (2010): Möglichkeiten der Kommunikation von Menschen mit schwerer Behinderung – Der Körper als Kommunikationsmedium. In: Maier-Michalitsch, N. J. & Grunick, G. (Hg.): Leben pur – Kommunikation bei Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen. Düsseldorf: verlag selbstbestimmtes leben, S. 72–97.

Bernasconi, T. & Böing, U. (2015): Pädagogik bei schwerer und mehrfacher Behinderung.  1. Auflage. Stuttgart: Kohlhammer (Kompendium Behindertenpädagogik).

Boenisch, J. (2016): Verständigungen ermöglichen. Neue Ansätze zur Sprachförderung von Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung. In: Bernasconi, T. & Böing, U. (Hg.): Schwere Behinderung & Inklusion. Facetten einer nicht ausgrenzenden Pädagogik. Oberhausen: Athena, S. 91–109.

Hennig, B. (2017): Interaktion und Kommunikation zwischen Menschen mit schwerster Behinderung und ihren Bezugspersonen – Aspekte des Gelingens. In: Fröhlich, A.; Heinen, N.; Klauß, T. & Lamers, W. (Hg.): Schwere und mehrfache Behinderung – interdisziplinär. 2. Auflage. Oberhausen: Athena (Impulse, Band 1), S. 273–297.

Hewett, D.; Firth, G.; Barber, M. & Harrison, T.  (2011): The Intensive Interaction Handbook. London: Sage.

Klauß, T. (2002): Überlegungen zur Kommunikation: Können wir nicht nicht kommunizieren?

Klauß, T. (2007): Kongruente Kommunikation zwischen Klienten/-innen, Mitarbeitenden und Leitenden. Vortrag.

Pivit, C. (2015): Individuelle Kommunikationssysteme. In: von Loeper Literaturverlag und Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation e. V. (Hg.): Handbuch der Unterstützten Kommunikation. Loseblattsammlung. Orig.-Ausg., 12. erw. Aufl. 2015. Karlsruhe: von Loeper Literaturverlag, 01.006.001 – 01.017.001.

Theilen, U. (2009): Sprachlos? Von wegen! Kommunikation mit Kindern mit schweren Behinderungen. München: Ernst Reinhardt Verlag.

Weid-Goldschmidt, B. (2013): Zielgruppen unterstützter Kommunikation. Fähigkeiten einschätzen – Unterstützung gestalten. Orig.-Ausg., 1. Aufl. Karlsruhe: von Loeper Literaturverlag.

Wilken, E. (Hg.) (2018): Unterstützte Kommunikation. Eine Einführung in Theorie und Praxis. Ausgabe 5. Stuttgart: Kohlhammer.

siehe auch

 

im Orientierungsplan: Kommunikation

IMPULSFRAGEN & REFLEXIONSÜBUNGEN

  • Wann findet Kommunikation zwischen Mitarbeiter_innen und Beschäftigten in Ihrer Einrichtung statt? Mit welchem Ziel?
  • Wer initiiert die Kommunikation in diesen Situationen?
  • Welche Möglichkeit haben Beschäftigte Kommunikation mit Mitarbeiter_innen und anderen Beschäftigten zu initiieren?
  • Wie werden sie dabei durch Sie unterstützt?
  • Welche Chancen haben vorsymbolisch kommunizierende Beschäftigte sich in Gespräche einzubringen?
  • Welche Hilfsmittel zur Kommunikation sind in Ihrer Einrichtung vorhanden? Inwiefern werden sie im Alltag genutzt? In welchen Situationen werden sie noch nicht genutzt?
  • Wie werden Informationen über das Kommunikationsverhalten der Beschäftigten dokumentiert und weitergegeben?
  • Welche Möglichkeiten stehen den Beschäftigten außerhalb der Einrichtung zur Verfügung, um zu kommunizieren.

„Der Anfang vom Mitreden-Können ist, wenn man „Ja“ und „Nein“ deutlich ausdrücken kann. Aber sich zu unterhalten, wenn man nur „Ja“ und „Nein“ sagen kann, ist sehr schwierig! Oft gibt es viel Ärger, weil man viele Fragen einfach mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten kann. Es ist sehr anstrengend für den, der etwas sagen möchte, aber auch für den Zuhörer. Wenn ich nur „Ja“ und „Nein“ sagen kann muss mein Gesprächspartner mir die richtigen Fragen stellen. Er muss ungefähr wissen, was ich überhaupt mitteilen möchte und dann viele Fragen stellen. Das kostet viel Zeit und Geduld für beide. Wenn Sie das bisher noch nicht selbst ausprobiert haben, können Sie das mal machen, um zu sehen, wie das ist und wie man sich dabei fühlt.“ (Ehler 2010, S. 248)

  • Überlegen Sie sich eine Gegebenheit, von der Sie Ihrem Gegenüber berichten möchten. Es sollte sich möglichst um etwas handeln, das Ihnen außerhalb der Arbeit widerfahren ist.
  • Ihr_e Partner_in darf nun 5 min. Fragen zu Ihrem Bericht stellen, auf die Sie ausschließlich mit Ja/Nein antworten dürfen. Danach wechseln Sie für weitere 5 min. die Rollen.
  • Besprechen Sie sich mit Ihrer_m Partner_in:
  • Wie viel dessen, was Sie tatsächlich berichten wollten, konnten Sie vermitteln?
  • Gab es Informationen, die sich nicht mitteilen ließen?
  • Welche Strategien haben sich beim Fragen entwickelt?
  • Welche Fragen konnten nicht gestellt werden/ wurden im Gesprächsverlauf verworfen?
  • Sammeln Sie Ihre Eindrücke und übertragen Sie sie auf Gesprächssituationen mit Menschen mit schwerer Behinderung:
  • Wozu kann die ausschließliche Kommunikation mit Ja/Nein führen?
  • Wie lässt sich diese Fragemethode erweitern oder verändern?

Ehler, Jens (2010): Ich rede nur anders als Sie – wie ich gelernt habe, mich mitzuteilen. In: Maier-Michalitsch, Nicola; Grunick, Gerhard (Hrsg.): Leben pur – Kommunikation bei Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung. Düsseldorf: verlag selbstbestimmtes Leben. S. 246 – 254.

„Es würde ja auch niemand auf die Idee kommen, einen lautsprachlich kommunizierenden Menschen zu knebeln, nur weil sein Gerede stört.“ (Ehler 2010, S. 248)

Manche Menschen nutzen Hilfsmittel, um sich auszudrücken. Wenn diese nicht „am Körper“ sind, besteht die Gefahr, dass ihnen z.B. ein Gerät nur in bestimmten Situationen zur Verfügung steht. Wichtig ist, dass Hilfsmittel, sobald sie eingeführt wurden, immer erreichbar sind. So darf z.B. der Talker nicht von anderen ausgeschaltet oder weggenommen werden.

  • Tragen Sie zusammen, welche Kommunikationsmittel den von Ihnen begleiteten Personen kontinuierlich zur Verfügung stehen.
  • Überlegen Sie, welche Bedeutung der Wechsel von Einrichtungen, Situationen, Räumen oder Mitarbeiter_innen für die Kommunikation der von Ihnen begleiteten Personen hat.
  • Welche Maßnahmen könnten dazu führen, Probleme des Übergangs zu umgehen, damit eine Person möglichst unabhängig von der Situation gewohnte Kommunikationsmuster anwenden kann?

Gesellschaft für unterstützte Kommunikation e. V. (2019): 10 Hinweise zum Umgang mit dem Talker.

Erfolgreich über etwas kommunizieren zu können, setzt voraus, dass die Person die Situation, um die es geht, nachvollziehen kann. So kann z.B. das Auswählen zwischen verschiedenen Angeboten erst dann gelingen, wenn die Person mit schwerer Behinderung wissen kann, was diese Angebote voneinander unterscheidet und was diese Auswahl in der Konsequenz bedeutet. Kommunikation steht daher in einem engen Zusammenhang mit Bildung, wie das folgende Beispiel zeigt:

Frau Schirmer, eine Beschäftigte eines Arbeits- und Bildungsortes, isst zum Frühstück meist eine Scheibe Brot mit unterschiedlichem Belag, der bisher von den Mitarbeiter_innen für sie ausgewählt wurde. Nun ist geplant, dass Frau Schirmer zukünftig selbst auswählen soll, was sie auf dem Brot haben möchte. In einem ersten Schritt soll ihr zunächst vermittelt werden, wodurch das Brot überhaupt seinen charakteristischen Geschmack erhält, und dass man verschiedene Optionen hat, um den Geschmack zu verändern. In den nächsten Wochen wird das Frühstück daher so gestaltet, dass Frau Schirmer aktiv in den Prozess des Brotschmierens eingebunden wird. Jeder Schritt wird ihr gezeigt und sie darf die Packungen ausgiebig anschauen, am Inhalt riechen und auch mal ein Stück Belag ohne Brot kosten. Nach einigen Wochen bemerkten die Mitarbeiter_innen, dass Frau Schirmer durch wegdrehen oder hinwenden des Kopfes eine Auswahl zwischen zwei Optionen treffen kann, wenn sie zuvor daran riechen und ein Stück probieren konnte. Mittlerweile gelingt die Auswahl durch Präsentation der Verpackungen und Frau Schirmer probiert regelmäßig neue Beläge aus, um ihre Vorlieben zu erweitern.

  • Überlegen Sie für Ihre Gruppe, inwiefern das Kommunizieren über verschiedene Inhalte durch Bildungsangebote ergänzt wird.
  • Wozu kann die Kommunikation über Inhalte führen, die sich einer Person mit schwerer Behinderung aufgrund fehlender Erfahrung nicht erschließen?

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(weiterführende) MATERIALIEN

Aktas, M. (Hg.) (2012): Entwicklungsorientierte Sprachdiagnostik und -förderung bei Kindern mit geistiger Behinderung. Theorie und Praxis. 1. Auflage. München: Elsevier Urban/ Fischer.
Antener, G.; Blechschmidt, A.; Ling, K. (Hg.) (2015): UK wird erwachsen. Initiativen in der Unterstützten Kommunikation. Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation/ Angelika von Loeper Literaturverlag/ Isaac e.V. Kongress. Originalausgabe, 1. Auflage. Karlsruhe: von Loeper Literaturverlag.
Bernasconi, T. (2023): Diagnostik und Interventionsplanung in der Unterstützten Kommunikation. Methoden und Einsatz in der Praxis. München: UTB; Ernst Reinhardt Verlag.
Bernasconi, T.; Böing, U. (2015): Skizzen zur Kommunikation von Menschen mit schwerer Behinderung. In: Antener, G.; Blechschmidt, A.; Karen Ling, K. (Hg.): UK wird erwachsen. Initiativen in der Unterstützten Kommunikation. Originalausgabe, 1. Auflage. Karlsruhe: von Loeper Literaturverlag, S. 21-32.
Blackstone, S.W.; Hunt-Berg, M.; Wachsmuth, S. (2006): Manual Soziale Netzwerke. Ein Instrument zur Erfassung der Kommunikation unterstützt kommunizierender Menschen und ihrer Kommunikationspartnerinnen und -partner. 1. Aufl. Karlsruhe: Von-Loeper-Literaturverlag.
Boenisch, J. (2017): Neue Ergebnisse aus der Kernvokabularforschung. In: Hallbauer, A. (Hg.): UK kreativ!: Wege in der Unterstützten Kommunikation. Karlsruhe: Von-Loeper-Literaturverlag, S. 17-34.
Boenisch, J. (2019): Neue Ansätze Unterstützter Kommunikation bei schwerer Behinderung. In: Mohr, L.; Zündel, M.; Fröhlich, A. (Hg.): Basale Stimulation. Das Handbuch. 1. Auflage. Bern: Hogrefe, S. 361-381.
Boenisch, J. (Hg.) (2005): Leben im Dialog. Unterstützte Kommunikation über die gesamte Lebensspanne. Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation. Orig.-Ausg., 1. Aufl. Karlsruhe: Von-Loeper-Literaturverlag.
Boenisch, J.; Sachse, S. K. (Hg.) (2020): Kompendium Unterstützte Kommunikation. 1. Auflage. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer.
Braun, S. (2019): Unterstützte Kommunikation mit Erwachsenen. Erste Auflage. Karlsruhe: Loeper (Ja: UK!, 6).
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