Verhalten

Überblick


Verhalten

Experteninterview

Verhalten

Bild Übersicht

Prof. Dr. Theo Klauß
ehem. Päd. Hochschule Heidelberg

Experteninterview

Verhalten

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Prof. Dr. Theo Klauß
ehem. Päd. Hochschule Heidelberg

Was sind Verhaltensauffälligkeiten?

Herr Meier besucht bereits mehrere Jahre einen Arbeits und Bildungsort. Den Mitarbeiter_innen ist er dabei schon immer als sehr unruhig aufgefallen. In Situationen, an denen viele andere Personen beteiligt sind und die Lautstärke im Raum groß ist, beißt sich Herr Meier häufig in die rechte Hand. Dieses Verhalten hält meist auch dann noch einige Zeit an, wenn die eigentliche Situation vorüber ist. Neuerdings fällt zudem auf, dass sich Herr Meier häufig mit flacher Hand gegen seine beiden Ohren schlägt oder mit viel Krafteinsatz an ihnen zieht. Bisher konnte noch keine Ursache für dieses Verhalten identifiziert werden, weil es zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten und ohne erkennbaren Anlass auftritt.

Kennzeichen auffälligen Verhaltens

„Verhaltensstörungen“, „herausforderndes Verhalten“, „Problemverhalten“, „Verhaltensauffälligkeiten“ – es gibt viele unterschiedliche Begriffe, die Verhalten bezeichnen, das das soziale Umfeld häufig massiv irritiert und Mitarbeiter_innen an Arbeits- und Bildungsorten in ihrer täglichen Praxis vor besondere Herausforderungen stellt. Ab wann Verhalten als „auffällig“ oder „problematisch“ einzuordnen ist, ist nicht nach objektiven Kriterien festzulegen [1]. Dennoch lassen sich zentrale Kennzeichen von Verhaltensauffälligkeiten identifizieren [2]:

Kennzeichen auffälligen Verhaltens

Irritationen

Verhalten wird dann als auffällig beschrieben, wenn es bei anderen Personen Irritationen auslöst. Diese Irritationen können mit Betroffenheit, Ratlosigkeit, Ablehnung, Angst oder ähnlichen Gefühlen verbunden sein. Auch wenn eine Irritation nicht allein ausschlaggebend dafür ist, das Verhalten einer Person als auffällig einzuordnen, sorgt eine solche Reaktion beim Gegenüber häufig dafür, das Verhalten genauer in den Blick zu nehmen [3].

Erwartungsdiskrepanz

Das Merkmal der Erwartungsdiskrepanz ist eng verbunden mit dem der Irritation. Verhaltensauffälligkeiten zeichnen sich dadurch aus, „dass Beteiligte oder Beobachter die Art, Frequenz, Dauer oder Intensität des Verhaltens als diskrepant gegenüber den üblichen kulturellen Erwartungen wahrnehmen.“ [4] Das Verhalten weicht also massiv von dem ab, was als ‚normal‘ empfunden wird.

Gerichtetheit

Das Merkmal der Gerichtetheit meint im Wesentlichen, dass das Verhalten nicht versehentlich, sondern bewusst oder unbewusst erfolgt. So betrachtet ist z. B. das Verhalten, durch das eine andere Person bei einem Unfall verletzt wird, häufig nicht als Verhaltensauffälligkeit einzuordnen, gezieltes Schlagen gegen eine andere Person hingegen schon [5].

Gefährdung oder Schädigung

Das Merkmal der Gefährdung oder Schädigung stellt eine weitere Bedingung dar, um zwischen Verhaltensweisen zu unterscheiden, die nur ungewöhnlich oder ungewohnt sind, und Verhaltensauffälligkeiten, die ein Eingreifen seitens der Mitarbeiter_innen erfordern. Eine Gefährdung oder Schädigung geht dann von einem Verhalten aus,

  • wenn es die körperliche oder seelische Unversehrtheit der beteiligten Personen unmittelbar bedroht oder
  • auf eine entsprechende Problematik hinweist (z. B. bei massiven Ängsten) oder
  • wenn es die Nutzung öffentlicher und sozialer Einrichtungen und Dienstleistungen unmöglich macht (z. B. in Folge von Sachbeschädigungen) [6].

Verhaltensauffälligkeiten erkennen

Dabei ist es wichtig, auch solche Verhaltensweisen zu erkennen und ernst zu nehmen, die im Alltag weniger auffällig sind, weil sie nicht gegen andere Personen, sondern die eigene Person gerichtet sind und deswegen das Gruppengeschehen weniger beeinträchtigen. Auch solche Verhaltensweisen, wie beispielsweise sozialer Rückzug oder depressive Verstimmungen von Beschäftigten, stellen eine Gefährdung für die jeweilige Person dar oder können Ausdruck einer ernstzunehmenden psychischen Erkrankung sein, die ein Eingreifen erforderlich macht.

Legt man diese Kriterien für die Bestimmung von Verhaltensauffälligkeiten zugrunde, kann das Verhalten von Herrn Meier, das eingangs beschrieben wurde, eindeutig als Verhaltensauffälligkeit eingeordnet werden: Die von ihm gezeigten Verhaltensweisen sind für sein Umfeld irritierend und heben sich von dem ab, was gemeinhin von erwachsenen Menschen erwartet wird. Darüber hinaus scheint sein Verhalten gerichtet zu sein, weil die Schläge und Bisse wiederholt gegen den eigenen Körper gerichtet sind, auch wenn das Motiv für dieses Verhalten noch nicht genau verstanden wird. Zudem gefährdet er durch das Verhalten seine eigene körperliche Unversehrtheit und Gesundheit, sodass das Verhalten eine Intervention durch die Mitarbeiter_innen erforderlich macht.

Das Spektrum an möglichen Verhaltensauffälligkeiten ist bei Menschen mit geistiger und schwerer Behinderung sehr breit. Zu diesen auffälligen Verhaltensweisen gehören beispielsweise [7]:

Spektrum auffälliger Verhaltensweisen

Auch wenn die negativen Auswirkungen von solchen Verhaltensauffälligkeiten für alle Beteiligten häufig weitreichend sind, sind diese Verhaltensweisen erst einmal als subjektiv sinnhaft einzuordnen. Es gibt ‚gute Gründe‘, warum Menschen solche Verhaltensweisen entwickeln, auch wenn die Hintergründe oft nicht gleich auf den ersten Blick ersichtlich sind [8]. Das liegt auch daran, weil die Ursachen für Verhaltensauffälligkeiten vielfältig sein können. Hierzu zählen [9]:

Ursachen für Verhaltensauffälligkeiten

Verhaltensauffälligkeiten als subjektiv sinnhafte Handlungen

Insofern sind Verhaltensauffälligkeiten als subjektiv sinnhafte Ausdrucksformen eines Menschen zu verstehen, die vor dem Hintergrund der individuellen Lebensgeschichte und des Erlebens einer Person eingeordnet werden müssen. Dies gilt auch für Menschen mit schwerer Behinderung. Auch hier sind Verhaltensauffälligkeiten nicht einfach nur als Ausdruck ihrer Behinderung und damit als unveränderliches Merkmal einer Person anzusehen. Das bedeutet nicht, die Behinderung einer Person auszublenden, sondern im Rahmen eines verstehenden Zugangs zu Verhaltensauffälligkeiten individuell einzuordnen:

  • Inwiefern werden andere, situationsadäquatere Handlungsmöglichkeiten einer Person durch die Behinderung begrenzt?
  • Welche Möglichkeiten und Gelegenheiten hatte eine Person, unter den Bedingungen ihrer Behinderung alternative Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln?
  • Inwiefern kann eine Verhaltensauffälligkeit als selbstgefundene Handlungsmöglichkeit verstanden werden, mit bestimmten Anforderungen oder Situationen umzugehen, auch wenn die Person dabei auf Verhaltensweisen zurückgreift, die letztlich als auffällig und problematisch zu bewerten sind?

Vor diesem Hintergrund lassen sich die beschriebenen Verhaltensauffälligkeiten von Herrn Meier unterschiedlich einordnen: Das Beißen in die Hand scheint ein Ausdruck dafür zu sein, dass unübersichtliche Situationen mit vielen anderen Personen für ihn Stress bedeuten und als unangenehm erlebt werden. Das Beißen in die Hand kann als eine selbst gefundene Handlungsmöglichkeit verstanden werden, mit der eigenen emotionalen Erregung in solchen Situationen umzugehen. Vermutlich hat Herr Meier im Laufe seines Lebens zusätzlich die Erfahrung gemacht, dass dieses Verhalten am ehesten auch von Außenstehenden beachtet wird. Dass das Verhalten auch noch einige Zeit anhält, wenn die Situation schon vorüber ist, spricht dafür, dass es ihm schwer fällt, sich nach großer emotionaler Erregung wieder zu beruhigen und er in dieser Hinsicht noch keine anderen Handlungsstrategien entwickelt hat.
Erst einmal scheint es naheliegend zu sein, dass auch dem neuerdings auftretenden Schlagen und Ziehen an den Ohren eine ähnliche systemische Ursache zugrunde liegt, also auch dieses Verhalten eine Handlungsmöglichkeit darstellt, mit einer überfordernden Situation umzugehen. Prinzipiell kommen hier aber auch andere Ursachen in Betracht: Als organische Ursache könnten Ohrenschmerzen, die aus einer Entzündung im Ohr oder aus einem Zahnproblem  resultieren, von Bedeutung sein. Aber auch psychische Ursachen wären denkbar. Es wäre möglich, dass Herr Meier an einer psychischen Erkrankung leidet und beispielsweise Stimmen hört, die ihm Angst machen.

Krisen und Verhaltensauffälligkeiten in Wechselwirkung

Verhaltensauffälligkeiten sind häufig das Resultat von krisenhaften Ereignissen und lösen selbst auch wieder Krisen im Umfeld einer Person aus: Eine Krise kann allgemein als eine Situation verstanden werden, in der eine Person mit Geschehnissen oder Lebensumständen konfrontiert wird, die sie mit ihren gegenwärtigen Fähigkeiten und Handlungsmöglichkeiten nicht bewältigen kann [10]. Aus dieser subjektiv empfundenen Überforderung heraus können dann Verhaltensauffälligkeiten entstehen.

Krisen sind das Ergebnis eines Prozesses, an dem auch die Umwelt beteiligt ist. So werden häufig auch Mitarbeiter_innen durch auffälliges Verhalten von Beschäftigten in eine überfordernde Situation versetzt, die sie als Krise erfahren [11]. Unter dem Handlungsdruck und aus eigener Hilflosigkeit heraus tragen sie dann durch ihr eigenes Handeln unter Umständen ungewollt zur weiteren Verschärfung der Situation bei. So kann im Laufe der Zeit eine Negativspirale entstehen, durch die (alternative) Handlungsmöglichkeiten auf beiden Seiten zunehmend eingeschränkt sind und die Verhaltensauffälligkeit den Umgang miteinander dominiert: Im Alltag dreht sich alles nur noch um das auffällige, als belastend empfundene Verhalten einer Person. Die Bemühungen des Umfeldes beschränken sich dann darauf, Verhaltensauffälligkeiten zu verhindern und zu kontrollieren. Dadurch werden andere Aktivitäten häufig verdrängt und die Teilhabemöglichkeiten einer Person zunehmend eingeschränkt [12].

Verhaltensauffälligkeiten haben also sowohl für die Person selbst als auch für das soziale Umfeld Konsequenzen: Für die betroffene Person selbst führen Verhaltensauffälligkeiten häufig zu Isolation, zu Etikettierungs- und Stigmatisierungsprozessen und teilweise sogar zum Ausschluss von Aktivitäten und aus Institutionen. Das soziale Umfeld ist insbesondere durch die erlebten Grenzsituationen, die wiederkehrenden Krisen und Erfahrungen eigener Hilflosigkeit belastet.

Welche Bedeutung haben Verhaltensauffälligkeiten in der Arbeit mit Menschen mit schwerer Behinderung?

Fehlende Bewältigungsstrategien bei erhöhten psychosozialen Belastungen

Unterschiedliche Studien weisen darauf hin, dass insbesondere fremd- und selbstverletzendes Verhalten sowie Sachbeschädigungen bei Menschen mit geistiger Behinderung häufiger vorkommen als bei Menschen ohne Behinderung [13]. Dies kann insbesondere darauf zurückgeführt werden, dass Menschen mit geistiger Behinderung mit verschiedenen psychosozialen Belastungen konfrontiert sind, für deren Bewältigung sie mit ihren Fähigkeiten schlechter gerüstet sind. Hierzu zählen Einschränkungen in der Informationsverarbeitung und Handlungsfähigkeit, im Zusammensetzen von Informationen und in exekutiven Funktionen [14] (→ Theoretische Grundlagen: Kognition & Handlungskompetenz). Gleichzeitig werden Menschen mit schwerer Behinderung häufig in ihrer Autonomie eingeschränkt und sind meist einer sozialen Kontrolle ausgesetzt, die aus ihrem erhöhten Unterstützungsbedarf resultiert [15]. Hinzu kommen Einschränkungen in den kommunikativen Fähigkeiten (→ Theoretische Grundlagen: Kommunikation), also Schwierigkeiten im Sprachverstehen und im sprachlichen Ausdruck. Diese führen einerseits dazu, dass das soziale Umfeld Probleme hat, die Signale der jeweiligen Person zu verstehen und richtig einzuordnen. Andererseits können auch Menschen mit schwerer Behinderung Schwierigkeiten haben, Situationen richtig zu deuten. Diese Einschränkungen im gegenseitigen Verstehen können dann Krisen auslösen und zu Verhaltensauffälligkeiten führen [16].

Verhaltensauffälligkeiten als Handlungsstrategie

Vor dem Hintergrund dieser Erschwernisse können Verhaltensauffälligkeiten als subjektiv sinnhafte Verhaltensweisen und selbst entwickelte Handlungsstrategien von Menschen mit schwerer Behinderung gedeutet werden, um Anforderungen im Alltag zu bewältigen [17]. Verhaltensauffälligkeiten sind dementsprechend nicht als Eigenart der Person oder Ausdruck der Behinderung, sondern vielmehr als Antwort auf als belastend erlebte Lebensumstände zu verstehen. Verhaltensauffälligkeiten entstehen somit aus einer Dynamik heraus, an der auch das Umfeld mitbeteiligt ist [18].

Am Beispiel von Herrn Meier wird diese Dynamik deutlich. Seine Verhaltensauffälligkeiten zeigen sich beispielsweise in Situationen, in denen er sich unwohl oder überfordert fühlt. Es ist möglich, dass er in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht hat, dass andere, ‚leisere‘ Signale, mit denen er sein Unbehagen zum Ausdruck gebracht hat, z. B. Lautieren oder Schaukeln mit dem Oberkörper, von den Mitarbeiter_innen als solche nicht erkannt und beantwortet wurden.

Bedeutung von individuellen Voraussetzungen und Umweltbedingungen für die Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten

Wie in diesem Beispiel kann das Entstehen von Verhaltensauffälligkeiten zusammenfassend als ein komplexer Prozess verstanden werden, in dem die individuellen Voraussetzungen einer Person in Wechselwirkung mit Umweltbedingungen zu einer als krisenhaft empfundenen Situation führen, auf die die betroffene Person mit verschiedenen Ausdrucksformen reagiert [19].

„Mit auffälligem Verhalten gekoppelte Krisensituationen sind […] kein individuelles Phänomen, sie betreffen nicht nur die Menschen mit geistiger Behinderung, die als auffallend bezeichnetes Verhalten zeigen, sondern auch Betreuer und Lehrer, andere Mitschüler oder Mitbewohner. Sie können Situationen sprengen oder vorgesehene Abläufe im Unterricht oder in der Wohngruppe verunmöglichen, vertraute Ordnungen und Normalitäten ins Wanken bringen.“ [20]

Aus Verhaltensauffälligkeiten ergeben sich somit Belastungen auf unterschiedlichen Ebenen.

Soziale Auswirkungen von Verhaltensauffälligkeiten

Verhaltensauffälligkeiten an Arbeits- und Bildungsorten betreffen immer das gesamte soziale Gefüge. Mitarbeiter_innen müssen nicht nur auf die Verhaltensweisen der Beschäftigten reagieren und gleichzeitig die Gruppe im Blick behalten, sondern in solchen Situationen auch mit den eigenen Emotionen umgehen. Dabei agieren sie immer unter Entscheidungsdruck, der gerade im Fall von selbst- oder fremdverletzendem Verhalten keine Zeit für langes Einordnen einer Situation und Abwägen der eigenen Handlungsmöglichkeiten lässt.

In der Arbeit mit Menschen mit schwerer Behinderung ergibt sich aufgrund der häufig eingeschränkten kommunikativen Möglichkeiten zusätzlich die Herausforderung, die Motive und Entstehungshintergründe für Verhaltensauffälligkeiten richtig einzuordnen. So muss, wie in dem eingangs geschilderten Beispiel von Herrn Meyer, bei neu auftretenden oder sich verändernden Verhaltensweisen zunächst immer wieder geprüft bzw. ausgeschlossen werden, dass eine Verhaltensauffälligkeit Ausdruck von Schmerzen oder ein Anzeichen einer psychischen Erkrankung ist. Verhaltensauffälligkeiten, die (möglicherweise) eine organische oder psychische Ursache haben, benötigen neben pädagogischen Maßnahmen auch eine ärztliche und/oder psychotherapeutische Begleitung, um eine signifikante Veränderung herbeiführen zu können. Gerade die Diagnostik und Behandlung von psychischen Erkrankungen stellen im Fall von Menschen mit schwerer Behinderung immer noch eine größere Herausforderung dar [21].

Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich daraus?

Die geschilderten Hintergründe von Verhaltensauffälligkeiten mit schwerer Behinderung bringen verschiedene Chancen und Herausforderungen für die Arbeit an Arbeits- und Bildungsorten mit sich. Folgende Chancen lassen sich identifizieren:

Hypothesen aufstellen und angemessene Handlungsstrategien unterstützen

  • Wird auffälliges Verhalten nicht allein als unveränderliche Eigenart eines Menschen mit Behinderung betrachtet, sondern grundsätzlich als subjektiv sinnhaftes Verhalten eingeordnet, ist es möglich, Hypothesen über die Hintergründe des Verhaltens aufzustellen und angemessene Umgangsformen zu finden [22]. In dieser Hinsicht können auch Überlegungen angestellt werden, welche Angebote hilfreich sein könnten, damit eine Person alternative und adäquatere Handlungsformen im Umgang mit bestimmten Anforderungen entwickeln kann.

Nicht nur reagieren, sondern Situationen proaktiv gestalten

  • Werden im Rahmen eines verstehenden Zugangs zu Verhaltensauffälligkeiten auch das eigene Handeln und die Rahmenbedingungen einer Situation mit in den Blick genommen, eröffnet sich zudem die Möglichkeit, nicht erst zu reagieren, wenn eine Situation bereits eskaliert ist, sondern Angebote proaktiv so zu gestalten, dass Verhaltensauffälligkeiten erst gar nicht auftreten bzw. die jeweilige Situation nicht so durch die Verhaltensauffälligkeiten dominiert wird, dass andere Aktivitäten gar nicht mehr möglich sind.

Rahmenbedingungen berücksichtigen

  • Auffälliges Verhalten ist immer als situationsspezifisch einzuordnen [23]: Während ein bestimmtes Verhalten in manchen Settings vor dem Hintergrund der dortigen Anforderungen und Erwartungen als auffällig und problematisch eingeordnet wird, kann es in anderen Settings weniger störend und vielleicht sogar hilfreich sein. Beispielsweise kann der Drang, etwas zu zerreißen, an Arbeits- und Bildungsorten durchaus in eine sinnvolle Beschäftigung umgewandelt werden.

Kommunikation fördern

  • Verbesserungen im Bereich der Kommunikation führen häufig dazu, dass sich auffälliges Verhalten reduziert. Dabei geht es zum einen um die Förderung und Erweiterung der Ausdrucksmöglichkeiten der Beschäftigten, zum anderen aber auch um die genaue Beobachtung und Deutung ihrer kommunikativen Signale [24].

Gleichzeitig lassen sich vielfältige Herausforderungen in der Arbeit mit Menschen mit schwerer Behinderung, die Verhaltensauffälligkeiten zeigen, identifizieren:

Ungewissheit in der Deutung von Verhaltensweisen

  • Mitarbeiter_innen an Arbeits- und Bildungsorten müssen sich immer wieder neu auf die Beschäftigten einstellen, die sie begleiten. Jede Person bringt andere biografische Erfahrungen, Fähigkeiten und Bedürfnisse mit. Das im Laufe der eigenen Berufsbiografie erworbene Wissen und auch bewährte Handlungsstrategien müssen so immer wieder hinterfragt und an den einzelnen Fall angepasst werden [25]. Und auch dann bleibt immer noch eine Restunsicherheit, ob das eigene Handeln angemessen und sinnvoll ist. Diese grundsätzliche Ungewissheit, mit der pädagogisches Handeln immer verbunden ist, gilt auch für den Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten. Insbesondere auch aufgrund der eingeschränkten Kommunikation können bei Menschen mit schwerer Behinderung nicht immer eindeutige Erklärungen für die Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten gefunden werden. Damit besteht auch immer die Möglichkeit, dass sich die eigene Deutung des Verhaltens rückblickend als falsch und das eigene Handeln in der Situation als nicht sinnvoll erweist.

Zeitliche Ressourcen und Alltagsdynamik

  • Im Handlungsdruck des Alltags bleibt für die Mitarbeiter_innen zudem häufig nur wenig Zeit, das eigene Verhalten in herausfordernden Situationen zu hinterfragen und aus einer distanzierteren Position heraus einzuordnen. So kann es dazu kommen, dass sich Krisen in der Dynamik des Alltags immer weiter verstärken und sich Verhaltensauffälligkeiten verfestigen [26].

Personelle Ressourcen

  • Eine angespannte Personalsituation macht den Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten an Arbeits- und Bildungsorten häufig besonders schwierig. Mitarbeiter_innen haben so nicht die Möglichkeit, sich in der Begleitung von Beschäftigten mit Verhaltensauffälligkeiten abzuwechseln, um ‚durchzuatmen‘, Abstand zu gewinnen und neue Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit den Herausforderungen zu entwickeln.

Kooperation mit anderen Fachkräften

  • Psychische Erkrankungen bei Menschen mit geistiger und schwerer Behinderung zu identifizieren, ist häufig schwierig und erfordert interdisziplinäres Arbeiten in Kooperation mit Psycholog_innen, Mediziner_innen und anderen Professionen. So kann es teilweise lange dauern, bis adäquate Hilfe und Unterstützung für Menschen mit schwerer Behinderung und psychischen Erkrankungen bereitgestellt werden kann.

Das eigene Verhalten reflektieren

Was ist notwendig, um Verhaltensauffälligkeiten in der Arbeit mit Menschen mit schwerer Behinderung berücksichtigen zu können?

  • Mitarbeiter_innen an Arbeits- und Bildungsorten stehen in ihrer Arbeit vor der Aufgabe, Ad hoc Antworten auf die alltäglichen Herausforderungen zu finden und immer wieder neue Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Insbesondere im Fall von Verhaltensauffälligkeiten agieren sie dabei häufig nicht nur auf der Grundlage letztlich unsicherer Deutungen des Verhaltens des Gegenübers. Sie stehen dabei – insbesondere im Fall von selbst- und fremdverletzendem Verhalten – auch unter einem massiven Entscheidungsdruck. Die in der jeweiligen Situation getroffenen Entscheidungen sind nie die einzig möglichen, rückblickend unter Umständen auch nicht die richtigen. Nichtsdestotrotz besteht die Notwendigkeit, in der Situation Verantwortung zu übernehmen und das eigene Handeln im Nachhinein immer wieder zu reflektieren, um alternative Handlungsmöglichkeiten durchzuspielen und anzupassen [27].

Fallarbeit nutzen

  • Fallarbeit kann in dieser Hinsicht großes Potenzial haben, Mitarbeiter_innen dabei zu unterstützen, eine reflexive Distanz zur eigenen Praxis herzustellen, aus der Alltagsdynamik einen Schritt herauszutreten und das eigene Handeln von außen zu betrachten [28].
  • Fallarbeit bedeutet, sich in ‚handlungsentlasteten Räumen‘, also ohne den Entscheidungs- und Handlungsdruck der alltäglichen Praxis, gemeinsam mit Kolleg_innen über Fälle auszutauschen, die die eigene Person vor besondere Herausforderungen stellen. Der Austausch mit anderen Kolleg_innen kann dabei noch einmal vielfältigere Perspektiven eröffnen, sodass sich auch der eigene Blick auf den Fall noch einmal weiten kann. Durch die unterschiedlichen Deutungen, die von den Mitarbeiter_innen in der Fallarbeit zusammengetragen und miteinander abgeglichen werden, können mögliche Entstehungszusammenhänge für Verhaltensauffälligkeiten leichter herausgearbeitet werden, um auf dieser Grundlage nachhaltig wirksame Handlungskonzepten entwickeln zu können [29]. Darüber hinaus liegt das besondere Potenzial der Fallarbeit darin, durch den Austausch mit anderen auch eigene festgefahrene Interaktions- und Beziehungsdynamiken im Umgang mit der Person mit Verhaltensauffälligkeiten identifizieren und alternative Handlungsmöglichkeiten entwickeln zu können [30].

Rahmenbedingungen für Fallarbeit schaffen

  • Voraussetzung für einen solchen fallbezogenen Zugang ist es, dass Fallarbeit als wichtiger Bestandteil der pädagogischen Arbeit anerkannt, an Arbeits- und Bildungsorten für Menschen mit schwerer Behinderung konzeptionell verankert ist und entsprechende Strukturen für Mitarbeiter_innen in Form von zeitlichen und räumlichen Ressourcen bereitgestellt werden.
  • Weitere Anregungen dazu finden Sie in den theoretischen Grundlagen bei den Themen Kooperation und Reflexion.
  • Voraussetzung für einen solchen fallbezogenen Zugang ist es, dass Fallarbeit als wichtiger Bestandteil der pädagogischen Arbeit anerkannt, an Arbeits- und Bildungsorten für Menschen mit schwerer Behinderung konzeptionell verankert ist und entsprechende Strukturen für Mitarbeiter_innen in Form von zeitlichen und räumlichen Ressourcen bereitgestellt werden.
  • Weitere Anregungen dazu finden Sie in den theoretischen Grundlagen bei den Themen Kooperation und Reflexion.

Quellen

[1] vgl. Tassé 2014, S. 108; [2] Vgl. Mohr 2018, S. 21–24; [3] Vgl. Mohr 2018, S. 21; [4] Mohr 2018, S. 22; [5] vgl. Mohr 2018, S. 22; [6] vgl. Mohr 2018, S. 23; [7] vgl. Mühl et al. 1996, S. 18f; [8] vgl. Fischer 2004, S. 130 f.; [9] vgl. Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung 2014, S. 22; [10] vgl. Dalferth 2004, S. 155; [11] vgl. Dalfehrt 2004, S. 156; [12] vgl. Riegert 2014, S. 72; [13] vgl. Calabrese & Georgi-Tscherry 2018, S. 28; [14] vgl. Mohr 2018, S. 22; [15] vgl. Senckel 2017, S. 33–37; [16] vgl. Calabrese & Georgi-Tscherry 2018, S. 29; [17] vgl. Fischer 2004; [18] vgl. Schuppener 2007, S. 18; [19] vgl. Dieckmann et al. 2007, S. 26; [20] Dederich et al. 1999, S. 476; [21] vgl. Panfilova, 2017, S. 31–33;[22] vgl. Mohr 2018, S. 25; [23] vgl. Mohr 2018, S. 24; [24] Calabrese & Georgi-Tscherry 2018, S. 29–30  ; [25] vgl. Riegert 2014, S. 38; [26] vgl. Klauß 2003, S. 133; [27] vgl. Dlugosch 2009, S. 112; [28] vgl. Riegert 2013, S. 24; [29] vgl. Riegert 2013, S. 24; [30] vgl. Riegert 2014, S. 41

Literatur

Calabrese, S. (2017): Herausfordernde Verhaltensweisen – herausfordernde Situationen: Ein Perspektivenwechsel. Eine qualitativ-videoanalytische Studie über die Gestaltung von Arbeitssituationen von Menschen mit schweren Beeinträchtigungen und herausfordernden Verhaltensweisen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

Calabrese, S. & Georgi-Tscherry, P. (2018): Dialogische Aspekte. Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen und herausfordernden Verhaltensweisen im Fokus. In: Behinderte Menschen, 41 (1), S. 27–31.

Dalferth, M. (2004): Krisenintervention bei nichtsprechenden Menschen mit schwerer geistiger Behinderung. In: Wüllenweber, E. & Theunissen, G. (Hg.): Handbuch Krisenintervention. Praxis und Konzepte zur Krisenintervention bei Menschen mit geistiger Behinderung. Bd. 2. Stuttgart: Kohlhammer, S. 153–171.

Dederich, M.; Allar, D. & Fabig, E. (1999): Erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung in Krisensituationen. Eine empirische Studie zum Bedarf psychotherapeutischer Angebote in der Region Köln. In: Zeitschrift für Heilpädagogik, 50 (10), S. 476–485.

Dieckmann, F. & Haas, G. (Hg.) (2007): Beratende und therapeutische Dienste für Menschen mit geistiger Behinderung und herausforderndem Verhalten. Stuttgart: Kohlhammer.

Dlugosch, A. (2009): Professionelles Handeln im Kontext von Verhaltensstörungen zwischen ethischer Begründbarkeit und Berufsmoral?  In: Vierteljahreszeitschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete, 78 (2), S. 103–113.

Fischer, E. (2004): Wahrnehmen – Sinn stiften – Handeln – Verstehen: ‚Herausforderndes‘ Verhalten bei Menschen mit (schweren) Behinderungen. In: Kannewischer, S.; Wagner, M.; Winkler, C. & Dworschak, W. et al. (Hg.): Verhalten als subjektiv-sinnhafte Ausdrucksform. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 127–145.

Heijkoop, J. (2009): Herausforderndes Verhalten von Menschen mit geistiger Behinderung. Neue Wege der Begleitung und Förderung. Weinheim, Basel: Beltz Juventa.

Klauß, T. (2000): Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung und besonderen Verhaltensweisen. In: Fischer, E. (Hg.): Pädagogik für Kinder und Jugendliche mit mehrfachen Behinderungen. Lernverhalten, Diagnostik, Erziehungsbedürfnisse und Fördermaßnahmen. Dortmund: Verlag modernes Lernen, S. 69–102.

Klauß, T. (2003): Ethische Aspekte pädagogisch-therapeutischer Interventionen bei aggressivem und selbstverletzendem Verhalten. In: M. Furger; D. Kehl (Hg.): „… und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt“. Zum Umgang mit Aggression und Gewalt in der Betreuung von Menschen mit geistiger Behinderung. Luzern: Edition SZH/CSPS. S. 127–147.

Mohr, L. (2018): Was macht Verhalten herausfordernd? Überlegungen zur Begriffsbestimmung und zu ihrer Praxisbedeutung im Kontext intellektueller Beeinträchtigung. In: Behinderte Menschen, 41 (1), S. 21–25.

Mühl, H.; Neukäter, H. & Schulz, K. (1996): Selbstverletzendes Verhalten bei Menschen mit geistiger Behinderung. Ein Lehrbuch aus pädagogischer Sicht. Bern [u. a.]: Haupt.

Panfilova, S. (2017): „Einfache“ Verhaltensauffälligkeiten oder Symptome einer Krankheit? In: Grunick, G. & Maier-Michalitsch, N. (Hg.): Herausforderndes Verhalten bei Menschen mit Komplexer Behinderung. Düsseldorf: verlag selbstbestimmtes leben, S. 31–38.

Riegert, J. (2013): „Luft holen und gucken“ Professionalität im Umgang mit pädagogischen Grenzsituationen. In: Lernen konkret. Bildung im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. 32 (2), S. 21–24.

Riegert, J. (2014): Neue Perspektiven entwickeln. Zur Bedeutung von Fallarbeit im Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten bei Schüler(inne)n mit geistiger Behinderung. In: Behinderte Menschen, 37 (3), S. 37–42.

Schuppener, S. (2007): Schülerinnen und Schüler mit geistiger Behinderung und herausfordernden Verhaltensweisen – „behinderte Begegnung“ und Möglichkeiten der Enthinderung. In: Sonderpädagogik, 37 (1), S. 16–28.

Senckel, B. (2017): Du bist ein weiter Baum. Entwicklungschancen für geistig behinderte Menschen durch Beziehung. München: C. H. Beck.

Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (2014): Wenn Schüler mit geistiger Behinderung verhaltensauffällig sind. Konzepte und Praxisimpulse für Förder- und Regelschulen. München: Reinhardt.

Tassé, M. J. (2014): Adaptive Behaviour. In: Wehmeyer, M. L. (Hg.): The Oxford Handbook of Positive Psychology and Disability. Oxford: University Press, S. 105–115.

IMPULSFRAGEN & REFLEXIONSÜBUNGEN

  • Welches Verhalten bewerten Sie als auffällig? Macht es dabei einen Unterschied, ob die Person eine schwere Behinderung hat, oder nicht?
  • Welche Folgen ergeben sich für die Person selbst z.B. bezogen auf die Teilhabe an Aktivitäten in der Einrichtung und außerhalb der Einrichtung?
  • Wie erleben Sie den Umgang mit Beschäftigten mit Verhaltensauffälligkeiten?
  • Wie gehen Sie mit den Herausforderungen um?
  • Welche Bedeutung hat Teamkooperation für den Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten?
  • Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es in der Einrichtung? Welche würden Sie sich noch wünschen?
  • Welche Formen der Zusammenarbeit mit anderen Professionen gibt es in Ihrer Einrichtung? (z.B. Psychiatrie)

„Nichts passiert aus heiterem Himmel: …Es sei denn, man kennt das Wetter nicht.“ 

So lautet der Titel eines Buches von Ulrich Elbing, in dem er Verhaltensauffälligkeiten von Menschen mit geistiger Behinderung zu erklären versucht.

  1. Versuchen Sie zu erklären, was mit dem Titel gemeint sein könnte.
  2. Denken Sie an eine Situation zurück, in der sie mit Verhaltensauffälligkeiten eines Beschäftigten konfrontiert waren. Hat sich diese Situation zugspitzt oder angedeutet?

Elbing, Ulrich (2014): Nichts passiert aus heiterem Himmel: … es sei denn, man kennt das Wetter nicht- Transaktionsanalyse und herausforderndes Verhalten. modernes lernen; Auflage: 4., völlig überarbeitete.

Stellen Sie sich folgende Situation vor:

Frau Dörfler besucht einen Arbeits- und Bildungsort für Menschen mit schwerer Behinderung. Sie kann sich selbstständig in der Einrichtung fortbewegen und kommuniziert mittels Mimik und Gestik.

(A) Frau Dörfler hat den Vormittag mit Gartenarbeit verbracht. Nun steht das Mittagessen an. Die anderen Beschäftigten sitzen schon am Tisch und warten. Das Essen steht auf dem Tisch. Frau Lammert möchte nur noch schnell Frau Dörfler von der Gartenarbeit abholen und dann Herrn Berg das Essen anreichen. Dieser scheint schon hungrig zu sein. Frau Lammert sucht Frau Dörfler im Garten auf und bittet sie mit zum Essen zu kommen. (B) Frau Dörfler ignoriert die Aufforderung und kümmert sich weiter um die Gartenarbeit. (C) Frau Lammert geht zurück zu den anderen Beschäftigten und beginnt Herrn Berg das Essen anzureichen. Als Frau Dörfler nach einigen Minuten noch immer nicht beim Mittagessen ist geht Frau Lammert zurück in den Garten und spricht sie ärgerlich an, sie müsse sich beeilen. (D) Frau Dörfler zieht sich weiter Richtung Garten zurück. (E) Frau Lammert läuft ihr hinterher, packt sie am Arm und versucht sie Richtung Eingang zu ziehen. (F) Frau Dörfler reißt sich los und lautiert aufgebracht vor sich hin. (G) Frau Lammert weist nochmal energisch auf die gebotene Eile hin und bittet Frau Dörfler endlich mitzukommen. (H) Frau Dörfler setzt sich auf den Boden und verschränkt die Arme. (I) Frau Lammert wird wütend. Sie packt Frau Dörfler erneut am Arm und versucht sie hochzuziehen. Dabei mahnt sie Frau Dörfler endlich mit diesem Theater aufzuhören, sonst würde das Mittagessen für sie ausfallen. (J) Frau Dörfler beißt Frau Lammert daraufhin in die Hand, springt auf und rennt weg.

  • Wie verändert sich die Anspannung von Frau Dörfler und Frau Lammert in der jeweiligen Situation?
  • Was trägt zur Eskalation bei?
  • An welchen Stellen hätte Frau Lammert wie zur Deeskalation beitragen können?
  • Welche Unterstützung hätte sie dafür benötigt?
  • Erinnern Sie sich an eine ähnliche Situation aus Ihrer Praxis. Werten sie diese wie das Fallbeispiel aus.

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(weiterführende) MATERIALIEN

Ackermann, K.-E. (1994): Menschen mit schweren Behinderungen in aggressiven und autoaggressiven Krisensituationen. In: Hofmann, Th.; Klingmüller , B. (Hg.): Abhängigkeit und Autonomie. Neue Wege in der Geistigbehindertenpädagogik. VWB Verl. für Wiss. u. Bildung, S. 103-114.
Bienstein, P.; Rojahn, J. (2013): Selbstverletzendes Verhalten bei Menschen mit geistiger Behinderung- Grundlagen, Diagnostik und Intervention. Göttingen: Hogrefe.
Dieckmann, F.; Haas, G. (Hg.) (2007): Beratende und therapeutische Dienste für Menschen mit geistiger Behinderung und herausforderndem Verhalten. Stuttgart: Kohlhammer.
Elbing, U. (2014): Nichts passiert aus heiterem Himmel: … es sei denn, man kennt das Wetter nicht- Transaktionsanalyse und herausforderndes Verhalten. Dortmund: verlag modernes lernen.
Elbing, U.; Rohmann, U. (2002): Selbstverletzendes Verhalten- Überlegungen, Fragen und Antworten. Dortmund: verlag modernes lernen.
Fath, K. (2012): Verhaltensauffälligkeiten und Bewegungstherapie bei Menschen mit sehr schweren Behinderungen. Theoretische Grundlagen, Praxiskonzepte und Evaluation. 3. Aufl. Marburg: Lebenshilfe Verlag.
Grunick, G.; Maier-Michalitsch, N. (Hg.) (2017): Leben pur – herausforderndes Verhalten bei Menschen mit komplexer Behinderung. Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte. Düsseldorf: verlag selbstbestimmtes leben (Leben pur).
Rohmann, U.; Elbing, U. (2002): Selbstverletzendes Verhalten. Dortmund: Verlag modernes Lernen- Dortmund.
Theunissen, G. (2016): Geistige Behinderung und Verhaltensauffälligkeiten. Ein Lehrbuch für Schule, Heilpädagogik und außerschulische Unterstützungssysteme. 6., überarbeitete und erweiterte Auflage. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt (utb Sonderpädagogik, Pädagogik, 3545).
Theunissen, G. (2023): Positive Verhaltensunterstützung – Eine Arbeitshilfe für den pädagogischen Umgang mit herausforderndem Verhalten bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Lernschwierigkeiten, sogenannter geistiger oder mehrfacher Behinderung. 7., aktualisierte Auflage. Marburg: Bundesvereinigung Lebenshilfe (Verlag).
Wagner, M. (2012): Verhalten im Kontext „schwere Behinderung“ : zwischen Selbst- und Synreferenzialität. In: Ratz, Ch. (Hg). Verhaltensstörung und geistige Behinderung. 1. Aufl. Aufl. Oberhausen: Athena- Verl. 2012 S. 55 – 66.