Wahrnehmung & Bewegung

PROFIL

 Nach einem Glas Wasser greifen, jemandem zuwinken, tanzen, spazieren gehen …

Bewegung stellt einen zentralen Bereich des menschlichen Alltags dar. Fast immer sind unsere Bewegungen dabei abhängig von Informationen, die der Mensch aus der Umwelt, aber auch aus dem eigenen Körper aufnimmt und verarbeitet. Wahrnehmung und Bewegung sind eng miteinander verknüpft: Nicht nur die Wahrnehmung ist wichtig, um gezielte Bewegungen ausführen zu können. Auch Bewegungsmöglichkeiten eröffnen dem Menschen Möglichkeiten, sich und die Umwelt wahrzunehmen und aktiv zu erkunden. Insofern ist das Zusammenspiel von Bewegung und Wahrnehmung immer auch dann wichtig, wenn es um die Planung und Durchführung von Handlungen geht. Der Zusammenhang von Wahrnehmung und Bewegung wird ausführlich in den Theoretischen Grundlagen beschrieben.

Alltagserfahrung

Auch für Menschen mit schwerer Behinderung stellen Bewegung und Wahrnehmung zentrale Aktivitäten im Alltag dar, obgleich sie sich häufig unter erschwerten Bedingungen vollziehen. Durch Einschränkungen in ihrer Bewegungsfähigkeit können sie häufig auch weniger Wahrnehmungserfahrungen machen. Darüber hinaus sind auch die Wahrnehmungsmöglichkeiten selbst bei Menschen mit schwerer Behinderung oft beeinträchtigt. So sind nicht alle Wahrnehmungsbereiche gleich gut ansprechbar oder die Reizschwelle ist niedriger oder höher als bei anderen Menschen. Um diesen Erschwernissen im Alltag von Menschen mit schwerer Behinderung zu begegnen, sollten ihnen reichhaltige Wahrnehmungs- und Bewegungserfahrungen eröffnet werden. Diese sollten nicht nur in Form von speziellen Angeboten, sondern auch  in Alltagssituationen, z. B. bei der Pflege oder bei Mahlzeiten, berücksichtigt werden.

THEMENSPEKTRUM

Die folgenden exemplarischen inhaltlichen Impulse sollen die Breite des Themenspektrums herausstellen. Sie beziehen sich sowohl auf Mitarbeiter als auch auf Beschäftigte.

den eigenen Körper im Verhältnis zur Schwerkraft erleben

  • den Körper in unterschiedlichen Positionen erleben (z. B. sitzen, stehen, liegen)
  • um die Körperlängsachse schaukeln (z. B. auf dem Boden, in der Hängematte)
  • vorwärts und rückwärts schaukeln
  • um die eigene Achse drehen
  • Auf- und Abwärtsbewegungen erfahren (z. B. auf einem Trampolin)
  • sich auf einer weichen Oberfläche bewegen (z. B. einer Weichbodenmatte, einem Sitzsack, …)
  • sich auf einer wackeligen Unterlage bewegen (z. B. sich auf einem Ball oder einer Rolle bewegen oder bewegt werden)
  • anregende Wahrnehmungserfahrungen durch unterschiedliche Seifen sammeln (olfaktorisch, taktil)
  • Unterschiedliche Seifenarten kennenlernen (Flüssigseife, Stückseife, Schaumseife)
  • Vorlieben entwickeln in Bezug auf Konsistenzen und Gerüche von Seifen

Vibrationen am Körper spüren

  • ein vibrierendes Massagegerät am Körper spüren
  • Bewegungen auf einer Vibrationsmatte erleben
  • mit dem Rollstuhl über einen unebenen Untergrund fahren
  • Vibrationen im eigenen Körper erspüren (z. B. den Bauch halten beim Sprechen)
  • Küchengeräte (mit Hilfe) nutzen, die vibrieren (z. B. Handrührgerät, Pürierstab, …)

den Körper in seiner ganzen Ausdehnung und Länge erfahren

  • Massagen von Händen und Füßen
  • häufige Positionswechsel, um Habituationen zu verhindern (s. Theoretische Grundlagen → Wahrnehmung & Bewegung)
  • unter einer Sanddecke oder einzelnen Sandkissen liegen
  • Modellierung von Lagerungshilfen um den Körper
  • den Körper abklopfen
  • unterschiedliche Materialien auf der Haut spüren
  • große Kontraste anbieten, die häufig noch gut gesehen werden (z. B. Schwarz-Weiß-Kontraste; leuchtende Objekte, …)
  • eine Discokugel in einem dunklen Raum mit einer Taschenlampe anstrahlen
  • Bälle oder andere Spielobjekte werfen und fangen
  • Musikinstrumente einsetzen, die neben akustischen Reizen auch vibratorische Eindrücke vermitteln (z. B. Musikstücke mit viel Bass, trommeln auf einem Cajón …)
  • Hörerfahrungen in der Umwelt sammeln (z. B. im Freien, in der Gruppe, in der Kantine, …)
  • Erleben, dass eigene Bewegungen mit Geräuschen verbunden sind (z. B. mit den Händen auf den Tisch trommeln, einen Takt klopfen …)

in Alltagssituationen vielfältige Erfahrungen sammeln

  • unterschiedliche Geschmacksrichtungen während des Essens kennenlernen
  • Gerüche von Seifen und Cremes aufnehmen
  • unterschiedliche Gerüche im Freien erfahren (z. B. Blumen, frisch gemähtes Gras, Laub im Herbst)

siehe auch

 

in den theoretischen Grundlagen: Wahrnehmung & Bewegung

Icon für Materialien

(weiterführende) MATERIALIEN

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Schlichting, H.Basale Stimulation. Ein Konzept für den (schulischen) AlltagBasale Stimulation. Ein Konzept für den (schulischen) Alltag©
Stanišic, Z.Physical and sport activities of intellectually disabled individualsPhysical and sport activities of intellectually disabled individuals©
Sulmoni, P.Projekt zur Förderung der Körperwahrnehmung bei Menschen mit einer mehrfachen BehinderungProjekt zur Förderung der Körperwahrnehmung bei Menschen mit einer mehrfachen Behinderung©
van Delden, R. W.; et. al. (2020)Alertness, Movement, and Affective Behaviour of People with Profound Intellectual and Multiple Disabilities (PIMD) on Introduction of a Playful Interactive Product: Can We Get Your Attention? In: Journal of Intellectual & Developmental Disability 45 (1), 66-77Alertness, Movement, and Affective Behaviour of People with Profound Intellectual and Multiple Disabilities (PIMD) on Introduction of a Playful Interactive Product: Can We Get Your Attention? In: Journal of Intellectual & Developmental Disability 45 (1), 66-77©
Zagermann, U.Basale Stimulation in der Pflege alter und behinderter MenschenBasale Stimulation in der Pflege alter und behinderter Menschen©