Körperpflege

PROFIL

Pflegehandlungen sind integrale Bestandteile des Alltags jedes Menschen. Sie dienen sowohl dazu, Bedürfnisse zu befriedigen, als auch dazu, sich besser und wohler in seinem Körper zu fühlen. Essen und Trinken, das Anziehen wetterangepasster Kleidung, Duschen, Baden und Waschen zählen zu diesen alltäglichen Pflegeaktivitäten. Auch bei leichten Krankheiten sorgen wir durch Tee trinken und Ausruhen für Linderung. Andere Pflege wird regelmäßig in professionelle Hände gelegt. Hierzu gehören beispielsweise der Friseurbesuch oder die Inanspruchnahme von Wellnessangeboten.

Für Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung bedeutet Pflege nichts grundlegend anderes. Allerdings sind sie fast immer umfangreicher auf professionelle Hilfe angewiesen. Darüber hinaus nimmt die Pflege im Tagesablauf viel Zeit ein. Sie durchdringt den Alltag intensiver und sichtbarer als bei Menschen, die nicht unter diesen Bedingungen leben. Pflegesituationen stellen also zunächst einmal Alltagssituationen dar (vgl. Klauß 2017, S. 88 f.).

Für Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung können sich in Pflegesituationen Bildungspotenziale eröffnen. So kann zum Beispiel durch das Erleben unterschiedlicher Düfte von Pflegeprodukten der Grundstein gelegt werden für das Ausbilden von Vorlieben und Abneigungen, die als Grundlage für Bildungsprozesse gesehen werden können (ebd.).

Folgend sollen beide Kontexte, unter denen Pflege betrachtet werden kann, dargestellt werden.

Pflege als Alltagssituation

Pflegesituationen werden in Beschäftigungs- und Förderstätten jeden Tag durchgeführt und sind dadurch häufig ritualisiert und automatisiert. Selten ergibt sich im Alltag die Möglichkeit, die Gestaltung dieser Situationen im Einzelnen zu reflektieren, genauer zu durchdenken und gezielt weiterzuentwickeln. Dies soll im Folgenden mit Hilfe von Fallbeispielen und Reflexionsfragen angeregt werden.

Pflege als Bildungssituation

In Pflegesituationen eröffnen sich auch Bildungspotenziale, die in der Situation aufgegriffen werden können. Diese ergeben sich insbesondere dann, wenn Routinen durchbrochen und bewusst Erfahrungen ermöglicht werden, die sonst nicht gemacht werden können. Als Anregung für die Planung von Pflegesituationen als Bildungsangebote werden konkrete Planungsbeispiele vorgestellt.

Eine weitere Differenzierung und theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema Pflege findet sich in den ‚Theoretischen Grundlagen‘.

THEMENSPEKTRUM

Die folgenden exemplarischen inhaltlichen Impulse sollen die Breite des Themenspektrums herausstellen. Sie beziehen sich sowohl auf Mitarbeiter als auch auf Beschäftigte.

z. B. Waschlappen, Handtücher, Feuchttücher …

  • taktile Erfahrungen auf der Haut mit unterschiedlichen Materialien sammeln (Lappen, Bürsten, Duschschwämme, Luffagurke, …)
  • mit unterschiedlichen Bürsten den Mundraum erkunden und reinigen (Zahnbürste, elektrische Zahnbürste, Bürstchen zum Reinigen der Zahnzwischenräume, Zungenbürsten, …)
  • Materialen finden, die eine möglichst eigenständige Pflege zulassen (z. B. elektrische Zahnbürste statt „normaler Handzahnbürste, Anregungen für Hilfsmittel finden sich z. B. im Ariadne-Katalog)
  • Vorlieben für bestimmte Pflegeutensilien entwickeln (z. B. Luffaschwamm gegenüber dem Waschlappen vorziehen; Flüssigseife lieber als Stückseife verwenden, …)
  • anregende Wahrnehmungserfahrungen durch unterschiedliche Seifen sammeln (olfaktorisch, taktil)
  • unterschiedliche Seifenarten kennenlernen (Flüssigseife, Stückseife, Schaumseife)
  • Vorlieben entwickeln in Bezug auf Konsistenzen und Gerüche von Seifen
  • Cremes und Lotions zur Hautpflege nach der Reinigung benutzen
  • Möglichkeiten der Wahrnehmungserfahrungen nutzen (taktil, olfaktorisch)
  • Massagen als Möglichkeit des positiven Kontaktaufbaus (z. B. Handmassagen, Fußmassagen (auf Intimsphäre achten) kennenlernen
  • durch eigenes Eincremen und Massagen das Körperselbstbild festigen
  • Vorlieben entwickeln in Bezug auf Häufigkeit des Eincremens und der verwendeten Cremes und Lotions

Hilfsmittel finden, die eine möglichst eigenständige Pflege ermöglichen
→ Anregungen hierzu finden sich im Bereich Differenzierung, und zum Beispiel hier

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(weiterführende) MATERIALIEN

Bernasconi, T.; Böing, U. (2015): Pädagogik bei schwerer und mehrfacher Behinderung. Stuttgart: Kohlhammer.
Bienstein, Ch. (1999): Berühren ist Begegnen – Bedeutung der Berührung. In: Bienstein, C.; Zegelin, A. (Hg.): Handbuch Pflege. 2. Aufl. Düsseldorf: Verl. Selbstbestimmtes Leben, S. 154-165.
Bienstein, Ch.; Fröhlich, A. (2016): Basale Stimulation® in der Pflege: Die Grundlagen. (8., durchgesehene und ergänzte Edition), Bern: Hogrefe.
Bienstein, Ch.; Zegelin, A. (Hg.) (1999): Handbuch Pflege. 2. Aufl. Düsseldorf: verlag selbstbestimmtes leben.
Biermann, A. (2008): Schwermehrfachbehinderung. In: Nußbeck, S.; Biermann, A.; Adam, H. (Hg.): Handbuch Sonderpädagogik: Sonderpädagogik der geistigen Entwicklung. Bd. 4. Göttingen: Hogrefe.
Carnaby, S.; Cambridge, P. (2006): Intimate and Personal Care with People with Learning Disabilities. London: Jessica Kingsley.
Collado, V; Faulks, D.; Hennequin, M. (2008): A survey of the difficulties encountered during routine hygiene and health care by persons with special needs. In: Disability and Rehabilitation, 30 (14), S.1047-1054.
Damag, A.; Schlichting, H. (2016): Essen – Trinken – Verdauen: Förderung, Pflege und Therapie bei Menschen mit schwerer Behinderung, Erkrankung im Alter. Göttingen: Hogrefe.
Demattei, R. R.; Allen, J.; Goss, B. (2012): A Service-Learning Project to Eliminate Barriers to Oral Care for Children With Special Health Care Needs. In: The Journal of School Nursing 28 (3), S.168-174.
Fornefeld, B (2001): Schwerstbehinderung, Mehrfachbehinderung, Schwerstbehinderte, Schwerstbehindertenpädagogik. In: Antor, G.; Bleidick, U. (Hg.): Handlexikon der Behindertenpädagogik. Stuttgart: Kohlhammer.
Fröhlich, A. (2012): Basales Leben. Texte zur Arbeit mit schwer beeinträchtigten Menschen. Bd. 1. Hochspeyer: Internationaler Förderverein Basale Stimulation.
Geisseler, T. (2005): Halbseitenlähmung: Alltag ist Therapie – Therapie ist Alltag. (4. vollständig überarbeitete Auflage), Berlin: Springer.
Habermann-Horstmeier, L. (2018): Grundlagen der Gesundheitsförderung in der stationären Behindertenarbeit: Eine praxisbezogene Einführung. (1. Auflage), Bern: Hogrefe.
Jerosenko, A.; Maier-Michalitsch, N. (Hg.) (2021): Leben pur: Schmerzen bei Menschen mit komplexen Behinderungen. Düsseldorf: verlag selbstbesimmtes leben.
Mohr, L. (2019): Schwerste Behinderung I: Grundlagen. In: Schäfer, H. (Hg.): Handbuch Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Grundlagen| Spezifika| Fachorientierung| Lernfelder. Weinheim: Beltz, S. 314-320.
Schlichting, H. (2013): Pflege bei Menschen mit schwerer Behinderung. Ein Praxisbuch. Düsseldorf: verlag selbstbestimmtes leben.
Schlichting, H. (2022): Schmerzen erkennen und begleiten – Kinder mit Komplexer Behinderung. In: Ergopraxis 15 (4), S. 18-23.
Schlichting, H.; Nüßlein, F.; Fichtmair, M. (2018): Unterstützung bei der Kommunikation von Schmerzen bei Menschen mit geistiger und schwerer Behinderung. In: Unterstützte Kommunikation (2) S. 6-14.
Schlichting, H.; Wördehoff, J. (2017): Schmerzen und Schmerzerfassung bei Menschen mit (schwerer) geistiger Behinderung und Einschränkungen der Kommunikation. In: Zeitschrift für Heilpädagogik 68 (2), S. 65-72.
Werner, B. (2019): Mundhygiene – ein Schlüsselthema in der akutstationären Pflege. In: Mohr, L.; Zündel, M.; Fröhlich, A. (Hg.): Basale Stimulation. Das Handbuch. 1. Auflage. Bern: Hogrefe, S. 471-486.