Personenkreis: Menschen mit schwerer Behinderung

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Prof. Dr. Tobias Bernasconi
Universität zu Köln

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Was bedeutet schwere Behinderung?

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Um wen handelt es sich bei dem Personenkreis „Menschen mit schwerer Behinderung“?

Frau Schneider hat eine schwere Behinderung, sie kann nicht laufen und ihren Rollstuhl nicht mit ihren Armen antreiben. Frau Schneider kennt den Weg von ihrem Wohnheim zum Arbeits- und Bildungsort. Da sie nicht lesen kann und nicht selbstständig in den Bus einsteigen kann, wird sie jeden Morgen mit einem Fahrdienst gebracht.

Verschiedene Begriffe

Menschen mit schwerer oder schwerster Behinderung, mit Komplexer Behinderung, intensiver Behinderungserfahrung oder Menschen mit basalen Bedürfnissen – es gibt zahlreiche Bezeichnungen für Personen, die an Arbeits- und Bildungsorten begleitet und unterstützt werden. Die Bezeichnungen verändern sich fortlaufend und es gibt keinen allgemein anerkannten Begriff, um diese sehr heterogene Gruppe zu bezeichnen.

Unterschiedliche Fachperspektiven

Verschiedene Disziplinen setzen sich mit dem Thema Behinderung auseinander. So zum Beispiel die Medizin, Psychologie, Soziologie, Pädagogik, Philosophie oder auch die Pflegewissenschaften. Das Verständnis von Behinderung ist immer von der wissenschaftlichen Perspektive geprägt, von der aus Behinderung in den Blick genommen wird. Dementsprechend haben sich im Laufe der Zeit unterschiedliche Modelle entwickelt, die beschreiben, was Behinderung ausmacht [1].

Medizinisches Modell

Je nach Modell werden unterschiedliche Bedingungsfaktoren für die Entstehung von Behinderungen angenommen.

Als eines der ersten Modelle, das genutzt wurde, um Behinderung und ihre Verursachung zu beschreiben, gilt das ‚medizinische Modell‘. Dieses Modell stellt insbesondere die körperliche Schädigung einer Person in den Mittelpunkt und schreibt Einschränkungen und Schwierigkeiten, die sich aus diesem Defekt ergeben, einseitig den Fähigkeiten einer Person zu – Behinderung liegt „in“ oder „an“ einer Person. Schwierigkeiten, die sich aus einer Schädigung ergeben, werden ausschließlich auf diese Beeinträchtigung zurückgeführt [2].

Folgt man dem medizinischen Modell von Behinderung, liegt die Behinderung von Frau Schneider also ausschließlich in ihrer körperlichen Behinderung begründet. Sämtliche Lebensbedingungen, die sich für Frau Schneider ergeben, werden ausschließlich mit ihrer körperlichen Einschränkung begründet. So würde nach diesem Modell davon ausgegangen, dass Frau Schneider nur deshalb mit dem Fahrdienst gebracht werden muss, weil sie aufgrund ihrer körperlichen Behinderung ihren Rollstuhl nicht selbstständig fahren kann und in Folge ihrer geistigen Behinderung außerdem auch nicht lesen und daher die Busse nicht voneinander unterscheiden kann. Möglichkeiten der Förderung werden nach diesem Modell insbesondere darin gesehen, Frau Schneiders Arme zu trainieren und ihr das Lesen beizubringen.

Schwere Behinderung wird im Sinne des medizinischen Modells insbesondere als schwere Schädigung körperlicher Funktionen oder Strukturen verstanden. Das können z. B. kognitive oder motorische Funktionen sein. Die umfassenden Einschränkungen, die sich daraus ergeben, werden ausschließlich mit dieser körperlichen Schädigung begründet [3]. Die Rolle der Umwelt hingegen wird nicht betrachtet – die Person ist behindert [4].

Soziales Modell

Eine völlig gegensätzliche Perspektive bietet das ‚soziale Modell‘ von Behinderung. Dieses sieht die Ursache für eine Behinderung ausschließlich im räumlichen und sozialen Umfeld einer Person. Dieses Umfeld ist häufig an einer Vorstellung von Normalität orientiert, die Personen mit Behinderungen, die von dieser Norm abweichen, ausschließt. Die Umwelt ist schlicht nicht auf die Anforderungen von Menschen mit Behinderung vorbereitet – sie werden behindert.

Folgt man diesem Modell, würde die Ursache für die Behinderung von Frau Schneider ausschließlich in ihrer Umwelt gesehen werden. Der Rollstuhl entspricht offensichtlich nicht ihren Bedürfnissen und die Infrastruktur ihrer Stadt ist nicht auf die Belange von Menschen mit Behinderung ausgelegt, indem die Buslinien z. B. eine automatische Sprachansage haben oder zusätzlich mit Farben oder Symbolen gekennzeichnet sind. Hierdurch entsteht für Frau Schneider eine massive Einschränkung, die die eigentliche Behinderung ausmacht. Die körperlichen Schädigungen von Frau Schneider werden in diesem Modell also nur zweitrangig betrachtet.

Für Menschen mit schwerer Behinderung ist die Orientierung an feststehenden Normen besonders verhängnisvoll, weil sie die gesellschaftlichen Erwartungen und Anforderungen, z. B. bezogen auf Handlungskompetenzen oder kommunikative Fähigkeiten, nur sehr eingeschränkt erfüllen. Dies führt in der Folge häufig zu sozialer und gesellschaftlicher Isolation. Darauf macht das soziale Modell von Behinderung besonders aufmerksam.

Schwere Behinderung wird nach diesem Verständnis also als Ergebnis isolierender sozialer und gesellschaftlicher Lebensbedingungen verstanden, durch die diese Menschen in ihren Teilhabe- und Bildungsmöglichkeiten schwerwiegend behindert werden.

Bio-psycho-soziales Modell

In dem von der WHO mit der ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health) vorgelegten bio-psycho-sozialen Modell‘ von Behinderung werden das medizinische (individuelle) und das soziale Modell verbunden. Das Modell ermöglicht eine umfassende Analyse der Lebensbedingungen einer Person, indem es Behinderung als ein Problem der Passung zwischen den Voraussetzungen einer Person und den Gegebenheiten der Umwelt auffasst.

Dabei werden in dem Modell drei Ebenen betrachtet: Körperfunktionen und -strukturen, Aktivitäten und Teilhabe. Behinderung wird als Wechselwirkung aus einer vorliegenden Beeinträchtigung (Körperfunktionen- und Strukturen) und einer Einschränkung von Aktivitäten und Teilhabe verstanden [5].

Bio-psycho-soziales Modell (nach ICF)

Eine organische Schädigung ist nach diesem Modell also lediglich eine Ausgangsbedingung, die erst durch Wechselwirkung mit der Umwelt zu einer Behinderung führt. Gleichzeitig können genau diese Umweltbedingungen auch dazu führen, dass die Folgen dieser körperlichen Schädigung gering gehalten und die eigentliche Behinderung der Person dadurch abgemildert werden.

Nimmt man das bio-psycho-soziale Modell als Grundlage, würde sich die Behinderung von Frau Schneider insbesondere in den Einschränkungen ihrer Möglichkeit selbstständig ihren Arbeitsweg zurückzulegen und sich mit ihrem Rollstuhl fortzubewegen, zeigen. Die Erklärung für das Entstehen der Behinderung wird nach diesem Modell in der Wechselwirkung aus den Voraussetzungen von Frau Schneider und den Möglichkeiten, die ihr die Umwelt bietet, gesehen. Der Rollstuhl von Frau Schneider scheint für ihre Bedürfnisse nicht passend zu sein, gleichzeitig ergeben sich auch in der Umwelt Barrieren, wie beispielsweise eine mangelnde Kennzeichnung der Buslinien. Durch das Ersetzen des manuellen durch einen elektrischen Rollstuhl und eine Absprache mit dem Busfahrer, oder einer Bitte an die Stadt, die Busse anders zu kennzeichnen, könnte Frau Schneider wesentlich selbstbestimmter teilhaben und ihre Behinderung würde abgemildert werden.

Aus der Perspektive des bio-psycho-sozialen Modells ist eine schwere Behinderung also das Ergebnis einer Wechselwirkung zwischen schwerwiegenden körperlichen und psychischen Einschränkungen einer Person, gravierenden Beeinträchtigungen ihrer Aktivitäten und Handlungsmöglichkeiten und weitreichenden Behinderungen ihrer gesellschaftlichen und kulturellen Teilhabe. Das Modell ermöglicht es so, die Lebensbedingungen einer Person umfassend zu beschreiben, ohne die körperlichen Voraussetzungen zu negieren oder einseitig zu betonen. Hierdurch kann die Lebenssituation von Menschen mit schwerer Behinderung anerkannt und gleichzeitig überlegt werden, welche Teilhabemöglichkeiten ihnen eröffnet und wie Umweltbarrieren abgebaut werden können [6].

Betrachtet man schwere Behinderung im Kontext des bio-psycho-sozialen Modells, wird insbesondere die Analyse von Teilhabemöglichkeiten bedeutsam. Diese stellen das entscheidende Kriterium für das Zustandekommen einer Behinderung dar [7]. Personale und soziale Kontextfaktoren können dabei die Teilhabe des Personenkreises begünstigen oder auch behindern [8].

  • Der Personenkreis der Menschen mit schwerer Behinderung ist äußerst heterogen.
  • Ihnen ist gemeinsam, dass sie von vielen Bereichen gesellschaftlichen Lebens ausgeschlossen sind.
  • Es gibt verschiedene Modelle, mit denen Behinderung beschrieben werden kann. Sie unterscheiden sich darin, wo sie die Ursache für eine Behinderung sehen.
  • Heute wird Behinderung insbesondere mit Hilfe des bio-psycho-sozialen Modells beschrieben, das sowohl die individuelle Schädigung einer Person als auch die Bedingungen der Umwelt, die die Lebenssituation mit dieser Schädigung erleichtern oder erschweren können, in den Blick nimmt.

Welche Bedeutung hat dieses Thema für die Arbeit mit Menschen mit schwerer Behinderung?

Auswirkungen auf die praktische Arbeit

Die Sichtweisen, die Mitarbeiter_innen an Arbeits- und Bildungsorten auf Menschen mit schwerer Behinderung haben, wirken sich auf ihre praktische Arbeit aus. (→ Theoretische Grundlagen: Menschenbild). Zu überlegen, an welchem Modell von Behinderung sich die Arbeit in Einrichtungen orientiert, heißt daher auch, Unterstützungsleistungen systematischer und zielgerichteter anbieten zu können. Menschen mit schwerer Behinderung benötigen in vielen lebenswichtigen Bereichen eine zuverlässige Unterstützung, da sie in sehr hohem Maße von der Hilfe durch ihre Umwelt angewiesen sind [9].

Defizitäre Sichtweise auf Beschäftigte

Wenn z. B. eine Behinderung einer Person zugeschrieben und diese Behinderung direkt in ihren körperlichen und psychischen Schädigungen begründet gesehen wird, dann besteht zumindest die Gefahr, hauptsächlich darauf zu achten, was Menschen mit schwerer Behinderung nicht können. Möglichkeiten werden dabei kaum erkannt, wie durch gezielte Angebote oder Veränderungen im Umfeld der Person Teilhabebarrieren abgebaut werden könnten.

Lebensbedingungen beachten

Wird die Behinderung der Beschäftigten dagegen insbesondere im Licht des sozialen Modells gesehen, besteht wiederum das Risiko, dass die individuellen Beeinträchtigungen und die damit einhergehenden Lebensbedingungen zu wenig beachtet werden. Die Lebensbedingungen einer Person, die aus einer körperlichen Schädigung resultieren, wie z. B. eine erhöhte Infektanfälligkeit oder häufige Schmerzen anzuerkennen, sind für ihre Begleitung und Betreuung jedoch ebenso essentiell. Gleichzeitig ist es charakteristisch für die Lebenssituation von Menschen mit schwerer Behinderung, dass sie aus den unterschiedlichsten sozialen Bereichen ausgeschlossen werden [10]. Gemeinsam ist ihnen, dass sie „in besonderem Maße von Ausgrenzung, Ausschluss, Sonderbehandlung und Nichtwahrgenommen werden“ [11] betroffen sind.

Vielfältige Teilhabe ermöglichen

Das bio-psycho-soziale Modell bietet daher insbesondere für Arbeits- und Bildungsorte neue Perspektiven, wenn es darum geht, individuelle Unterstützungsbedarfe zu identifizieren und Teilhabe an Alltag, Arbeit und Kultur zu ermöglichen. Orientiert man sich an diesem Modell, wird die Wechselwirkung zwischen den körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen der Person in Zusammenhang mit den räumlichen und sozialen Umweltbedingungen in den Blick genommen. Die Aufgabe der Mitarbeiter_innen besteht dann darin, für Menschen mit schwerer Behinderung – trotz ihrer nicht zu ignorierenden Schädigungen – Bedingungen zu schaffen, die vielfältige Möglichkeiten der Teilhabe bieten. Hierfür müssen auch die Barrieren berücksichtigt werden, die in den räumlichen, sozialen und kommunikativen Rahmenbedingungen der Einrichtung und der Angebote liegen.

Beispiele

Eine Sichtweise, die nicht nur die Möglichkeiten der Personen, sondern auch die Umweltbedingungen in den Blick nimmt, kann verhindern, dass Fähigkeiten prinzipiell abgesprochen werden, wie die folgenden Beispiele verdeutlichen.

Defizit- und Ressourcenperspektive

Diese Beispiele zeigen: Eine Behinderung bzw. ein Verhalten ist „relativ“ und zeigt sich unter bestimmten Umständen, nämlich dann, wenn das, was die Person an Möglichkeiten mitbringt, nicht zu den Bedingungen ihrer Umwelt passt. Gezielte Unterstützungsleistungen zu finden bedeutet, solche Barrieren zu identifizieren und die Umwelt der Person möglichst zu ent-hindern. Eine Unterstützungsleistung sollte also nicht nur darauf zielen, die Person zu fördern, sondern die gesellschaftliche Teilhabe der Person [12].

Die Art und Weise, wie die Unterstützung für Menschen mit schwerer Behinderung gestaltet und umgesetzt wird, hat also maßgeblich Einfluss darauf, wie viel gesellschaftliche Teilhabe ihnen möglich ist [13].

Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich aus der Beschäftigung mit dem Thema „Personenkreis“?

Folgende Chancen kann die Reflexion verschiedener Perspektiven auf schwere Behinderung eröffnen:

Handlungsspielräume

  • Der Einbezug verschiedener Perspektiven kann neue Handlungsspielräume eröffnen. Eine Person mit schwerer Behinderung zu unterstützen, heißt dann nicht nur, Wege zu finden, ihre Fähigkeiten (pädagogisch-therapeutisch) zu erhalten oder auszubauen, sondern auch, ihr Umfeld zu verändern, um eine größere Teilhabe zu ermöglichen. Hier sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt: Vom Umgestalten der Räume über das Entwickeln individueller Hilfsmittel bis zur Veränderung der eigenen Haltung bieten sich unzählige „Stellschrauben“.

Ressourcenorientierter Ansatz

  • Ein solcher offener Blick für Möglichkeiten und Potenziale kann dazu beitragen, trotz manchmal sehr schwerer Beeinträchtigungen der begleiteten Menschen keinem Pessimismus zu verfallen. Da sich die Umwelt stetig verändert, entstehen auch immer wieder neue Ansatzpunkte. Eine Sicht, die nicht auf das Individuum beschränkt ist, erleichtert demnach einen ressourcenorientierten Ansatz.

Blick auf tatsächliche Bedarfe

  • Die Orientierung an Behinderungsmodellen, die sowohl die Umwelt als auch die individuellen Voraussetzungen einer Person einbeziehen, kann auch dazu führen, dass sich der Blick für die tatsächlichen Bedarfe einer Person weiten kann, da nicht mehr nur die individuellen Einschränkungen im Mittelpunkt der Überlegungen stehen.

Komplexes Bild

  • Indem der Blick für die Umwelt geöffnet wird, entsteht ein sehr komplexes Bild. Es kann schwierig sein, konkrete Ursache-Wirkungszusammenhänge zu erkennen, die die Teilhabe von Menschen mit schwerer Behinderung beeinflussen. Tatsächlich sind viele Lebens- und Alltagssituationen oft von verschiedenen Faktoren abhängig und dadurch nicht leicht veränderbar.

Folgende Herausforderungen zeigen sich in diesem Zusammenhang:

Barrieren

  • Auf bestimmte Aspekte, wie bauliche Hindernisse, können Mitarbeiter_innen an Arbeits- und Bildungsorten zwar hinweisen. Sie können diese im Rahmen ihrer Tätigkeit aber nicht verändern. Sie sind an dieser Stelle gefragt, barrierefreie Alternativen, z. B. kulturelle Veranstaltungen, die treppenfrei erreichbar sind, ausfindig zu machen.

Überforderung

  • Menschen entwickeln sich im Laufe ihres Lebens und finden Antworten auf die sich ihnen stellenden Herausforderungen. Es ist daher möglich, dass es zunächst so scheint, als würden neue Teilhabeangebote die Beschäftigten überfordern.

Was ist notwendig, damit Menschen mit schwerer Behinderung an kulturellen Angeboten partizipieren können?

Um das Wissen über diese Zusammenhänge für die eigene Arbeit gewinnbringend nutzen zu können, sollten folgende Bedingungen realisiert werden:

Gemeinsames Verständnis

  • Die Mitarbeiter_innen an Arbeits- und Bildungsorten können davon profitieren, wenn es eine Übereinstimmung zu grundlegenden Begrifflichkeiten, Modellen und Perspektiven auf Menschen mit schwerer Behinderung gibt. Ein solches gemeinsames Verständnis kann sich nur in einem inhaltlichen Austausch zu diesem Thema entwickeln. Dieser sollte fortlaufend unter fachlicher Anleitung stattfinden.

Konzeption

  • Die Berücksichtigung von Teilhabebarrieren und -möglichkeiten „außerhalb“ der Person mit schwerer Behinderung sollte als ein wichtiger Teilaspekt der Fachlichkeit von der Einrichtungsleitung beispielhaft „gelebt“ werden und muss sich auch in der Konzeption einer Einrichtung widerspiegeln.

Reflexion

  • Mitarbeiter_innen an Arbeits- und Bildungsorten sollten, auch gemeinsam im Team, immer wieder hinterfragen, woraus Teilhabebarrieren entstehen und welchen Anteil die Bedingungen der Umwelt oder eine mangelnde Passung der Angebote daran haben. Gleichzeitig ergibt sich aber auch die Notwendigkeit, die Beschäftigten in ihrem So-Sein anzuerkennen und nicht zu überfordern. Diese Gratwanderung erfordert immer wieder auch die Reflexion über Angebote und vorherrschende Strukturen im Team.

Quellen

  • [1] vgl. DIMDI 2005, S. 24 f. [2] vgl. Heinen & Lamers 2003, S. 25 [3] vgl. ebd., S. 26 [4] vgl. Becker 2016, S. 249 [5] vgl. DIMDI 2005, S. 171 [6] vgl. Bernasconi & Böing 2015, S. 27 [7] vgl. ebd., S. 28 [8] Bernasconi & Böing 2015, S. 28 [9] vgl. Klauß 2017, S. 16 f. [10] vgl. Fornefeld 2008, S. 49 [11] Klauß 2010, S. 343 [12] vgl. Becker 2016, S. 251 [13] vgl. Klauß 2017, S. 20

Literatur

Becker, H. (2016): … inklusive Arbeit! Das Recht auf Teilhabe an der Arbeitswelt auch für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf. Weinheim, Basel: Beltz Juventa.

Bernasconi, T. & Böing, U. (2015): Pädagogik bei schwerer und mehrfacher Behinderung. Stuttgart: Kohlhammer.

DIMDI (Hg.) (2005): ICF- Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit, World Health Organization (WHO), Genf. [Zugriff am 03.12.2022]

Fornefeld, B. (2008): Menschen mit Komplexer Behinderung. Klärung des Begriffs. In: Fornefeld, B. (Hg.): Menschen mit Komplexer Behinderung. Selbstverständnis und Aufgaben der Behindertenpädagogik. München, Basel: Ernst Reinhardt Verlag (Sonderpädagogik), S. 50–81.

Heinen, N. & Lamers, W. (2003): Wanderung durch die schwerstbehindertenpädagogische Landschaft. In: Fröhlich, A.; Heinen, N. & Lamers, W. (Hgg.): Schwere Behinderung in Praxis und Theorie – ein Blick zurück nach vorn. Texte zur Körper- und Mehrfachbehindertenpädagogik. Düsseldorf: verlag selbstbestimmtes leben, S. 13–47.

Klauß, T. (2017): Schwere und mehrfache Behinderung – interdisziplinär. Einleitende Überlegungen. In: Fröhlich, A.; Heinen, N.; Klauß, T. & Lamers, W. (Hgg.): Schwere und mehrfache Behinderung – interdisziplinär. Oberhausen, Rheinl.: ATHENA-Verlag (Impulse: Schwere und mehrfache Behinderung, 1), S. 11–39.

Klauß, T. (2010): Inklusive Bildung: Vom Recht aller, alles Wichtige über die Welt zu erfahren. In: Behindertenpädagogik 49(4), S. 341–374. [Zugriff am 03.12.2022]

siehe auch

 

IMPULSFRAGEN & REFLEXIONSÜBUNGEN

  • Was wissen Sie über Besonderheiten der Wahrnehmung und Bewegung der Beschäftigten?
  • Welche Möglichkeiten haben die Beschäftigten unterschiedliche Positionen einzunehmen?
  • Wie werden Bewegungen und Bewegungsmuster der Beschäftigten aufgegriffen und Lust auf neue Bewegungen bei den Beschäftigten geweckt?
  • Inwiefern sind die Räume so gestaltet, dass die Beschäftigten selbstständig Wahrnehmungs- und Bewegungserfahrungen machen können?
  • Welche Institutionen in der Umgebung sind barrierearm und können mit den Beschäftigten besucht werden? (z. B. Supermärkte, Museen, …)

©Phil Hubbe

Beschreiben Sie die Situation mit Hilfe der unterschiedlichen Behinderungsmodelle.

Zitat einer Frau mit Down-Syndrom:

Ich habe die Behinderung Down-Syndrom, aber man merkt es mir nicht an, weil ich vieles dazu gelernt habe. Man sieht es mir an den Augen an, dass ich behindert bin, aber für mich ist es kein Leiden, sondern es ist halt einfach da und das gehört eben halt mal zum Leben dazu. Und man soll sich so akzeptieren wie man ist. Aber was ich nicht leiden kann, ist, wenn mich jeder so dumm-blöd anglotzt. Als wäre ich nur behindert, obwohl das gar nicht stimmt. Ich bin zwar behindert, aber nicht so wie die anderen Jugendlichen mit der Behinderung, sondern etwas normaler und ich weiß auch nicht, woher es kommt. (…) (Keller 2001 zit. nach Klauß 2012, S. 9)

Wie beschreibt sie sich und die Erfahrungen, die sie auf Grund ihrer Behinderung macht?
Überlegen Sie, welche Rolle die Selbstwahrnehmung von Menschen mit Behinderung für Ihre Arbeit an Arbeits- und Bildungsorten spielen könnte.


Klauß, Theo (2012): Identität bei Menschen mit geistiger Behinderung.

Früher wurden Menschen mit schwerer Behinderung als Personen beschrieben, deren Entwicklungsstand den eines 6 Monate alten Säuglings nicht übersteigt.

  • Warum ist eine solche Beschreibung aus heutiger Sicht nicht angemessen?
  • Welche alternativen Vergleiche eignen sich Ihrer Meinung nach eher?
  • Der Gesetzgeber gibt ein „Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung“ als Bedingung für die Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen vor. Sammeln Sie in einer Kleingruppe verschiedene Kriterien, an denen man ein solches Mindestmaß festmachen könnte und diskutieren Sie diese in einem zweiten Schritt.
  • Welches Modell von Behinderung wird angewandt, wenn Menschen mit schwerer Behinderung die Werkstattfähigkeit, wie beschrieben, aberkannt wird?
  • Entwerfen Sie einen Vorschlag für eine Regelung unter Bezugnahme auf eines der anderen Modelle. Stellen Sie diesen im Plenum vor.

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(weiterführende) MATERIALIEN

Biermann, A. (2008): Schwermehrfachbehinderung. In: Nußbeck, S.; Biermann, A.; Adam, H. (Hg.): Handbuch Sonderpädagogik: Sonderpädagogik der geistigen Entwicklung. Bd. 4. Göttingen: Hogrefe.
Daun, K.; Tuckermann, A. (2019): Autismus-Spektrum-Störung: Herausforderungen und unterrichtliche Möglichkeiten. In: Schäfer, H. (Hg.): Handbuch Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Grundlagen| Spezifika| Fachorientierung| Lernfelder. Weinheim: Beltz, S. 291-302.
Fornefeld, B (2001): Schwerstbehinderung, Mehrfachbehinderung, Schwerstbehinderte, Schwerstbehindertenpädagogik. In: Antor, G.; Bleidick, U. (Hg.): Handlexikon der Behindertenpädagogik. Stuttgart: Kohlhammer.
Mohr, L. (2019): Schwerste Behinderung I: Grundlagen. In: Schäfer, H. (Hg.): Handbuch Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Grundlagen| Spezifika| Fachorientierung| Lernfelder. Weinheim: Beltz, S. 314-320.
Mohr, L.; Schindler, A. (2019): Schwerste Beeinträchtigung. In: Mohr, L.; Zündel, M.; Fröhlich, A. (Hg.): Basale Stimulation. Das Handbuch. 1. Auflage. Bern: Hogrefe, S. 49-65.
Mühl, H. (2006): Merkmale und Schweregrade geistiger Behinderung. In: Wüllenweber, E.; Theunissen, G.; Mühl, H. (Hg.): Pädagogik bei geistigen Behinderungen. Ein Handbuch für Studium und Praxis. Stuttgart: Kohlhammer, S. 128-141.
Sarimski, K.; Steinhausen, H.-Ch. (2007): Geistige Behinderung und schwere Entwicklungsstörung. Göttingen, Bern, Wien, Toronto, Seattle, Oxford, Prag: Hogrefe.
Schmuhl, H.-W. (2007): Schwer behindert, schwerbehindert, schwerstbehindert. Begriffsgeschichtliche Betrachtungen zu den feinen Unterschieden in der Benennung von Menschen mit Behinderungen. In: Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft (Hg.): Herausforderungen -Mit schwerer Behinderung leben. Frankfurt am Main: Mabuse.
Schuppener, S. (2007): Geistig- und Schwermehrfachbehinderungen. In: Borchert, J. (Hg.): Einführung in die Sonderpädagogik. Oldenbourg: Wissenschaftsverlag GmbH.
Terfloth, K. (2015): Schwere und mehrfache (Komplexe) Behinderung. In: Hedderich, I.; Biewer, G.; Hollenweger, J.; Markowetz, R. (Hg.): Handbuch Inklusion und Sonderpädagogik. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 257-261.
Terfloth, K. (2016): Schwere und mehrfache oder Komplexe Behinderung. In: I. Hedderich, G. Biewer, J. Hollenweger und R. Markowetz (Hg.): Handbuch Inklusion und Sonderpädagogik. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt (UTB Erziehungswissenschaft, Sonderpädagogik, 8643), S. 257-261.