Essen & Trinken

PROFIL

„Essen geschieht mehrfach täglich und meist im Rahmen einer Mahlzeit. Die überwiegende Zahl der Mahlzeiten findet im Alltag statt und unterliegt starker Routine. Seltener gibt es besondere Anlässe, zum Beispiel religiöse oder familiäre Feste, die einen höheren Aufwand und einen speziellen Ablauf rechtfertigen. Doch ganz gleich ob Alltag oder Festtag – in allen Fällen folgen Mahlzeiten unausgesprochenen Regeln, die die Vorbereitung und Durchführung ebenso bestimmen wie die zwischenmenschlichen Verhaltensweisen.“ (Schönberger 2011, S. 17).

In Anlehnung an das Zitat von Schönberger kann Essen und Trinken also zunächst als alltagsstrukturierende Tätigkeit betrachtet werden. Mahlzeiten werden häufig gemeinsam mit anderen eingenommen. Sie bieten somit Gelegenheit für Zuwendung, Plaudereien oder die Pflege von Freundschaften. Gleichzeitig finden sich hier Anknüpfungspunkte für die Gestaltung bildungsförderlicher Situationen.

An Arbeits- und Bildungsorten sind Mahlzeiten ebenso tagesstrukturierend und werden häufig gemeinsam mit der Gruppe eingenommen. Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung, die diese Orte besuchen, benötigen häufig umfassend Unterstützung bei der Einnahme von Mahlzeiten. Wie eine gelingende Gestaltung dieser Alltagssituationen aussehen kann, soll im Folgenden betrachtet werden. Außerdem werden Anknüpfungspunkte für die Gestaltung bildungsförderlicher Situationen gezeigt.

Essen und Trinken als Alltagssituation:

Essen und Trinken ist eine typische Alltagshandlung und unterliegt damit routinierten Abläufen. Diese Routinen bieten eine große Sicherheit. Wenn man sich diese Routinen bewusst macht und sie reflektiert, kann es gelingen, mögliche Potenziale für Verbesserung herauszustellen. Hierzu können die folgenden Reflexionsfragen und Fallbeispiele genutzt werden.

Essen und Trinken als Bildungssituation:

Situationen, in denen Mahlzeiten eingenommen werden, bieten durch die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten Bildungspotenziale. So können beispielsweise durch vielfältige Geschmackserfahrungen, eigene Vorlieben und Abneigungen erkannt und ausgeweitet werden. Durch Mahlzeiten können aber auch Erinnerungen an Vergangenes geweckt und Essgewohnheiten anderer Kulturen erkundet werden. Ideen für die konkrete Gestaltung dieser Situationen werden mit Hilfe einer Beispielplanung gegeben.

THEMENSPEKTRUM

Die folgenden exemplarischen inhaltlichen Impulse sollen die Breite des Themenspektrums herausstellen. Sie beziehen sich sowohl auf Mitarbeiter als auch auf Beschäftigte.

  • unterschiedliche Konsistenzen von Nahrungsmitteln wahrnehmen
  • Veränderungen der Konsistenz erleben (z. B., wenn Nahrung püriert aufgenommen wird, die Nahrung vor und nach dem Pürieren betrachten und fühlen können)
  • Veränderung der Konsistenz von Nahrung im Mund spüren
  • erleben, dass unterschiedliche Komponenten einer Mahlzeit unterschiedliche Konsistenzen haben
  • Getränke mit und ohne Kohlensäure kennenlernen
  • unterschiedliche Temperaturen von Lebensmitteln kennenlernen
  • wissen, dass je nach Tageszeit eher eine kalte oder eine warme Speise erwartet werden kann
  • Veränderung der Temperatur des warmen Essens im Verlauf der Mahlzeit kennenlernen
  • den Eigengeschmack von Lebensmitteln erfahren
  • die einzelnen Komponenten der Mahlzeit erschmecken
  • unterschiedliche Gewürze und Kombinationen von Lebensmitteln ausprobieren
  • Speisen eigenständig kombinieren, nach Belieben nachwürzen

Literatur

Schönberger, G. (2017): Die Mahlzeit und ihre soziale Bedeutung: Simmel, Wiegelmann, Douglas, Tolksdorf, Barlösius. In: Schönberger, G./ Methfessel, B. (Hg.): Mahlzeiten. Alte Last oder neue Lust? Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 17–27.

siehe auch

 

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(weiterführende) MATERIALIEN

Biedermann, M. (2011): Essen als basale Stimulation. Finger Food, Eat by walking etc. (3., überarbeitete Auflage), Hannover: Vincentz Network.
Bienstein, Ch. (1999): Berühren ist Begegnen – Bedeutung der Berührung. In: Bienstein, C.; Zegelin, A. (Hg.): Handbuch Pflege. 2. Aufl. Düsseldorf: Verl. Selbstbestimmtes Leben, S. 154-165.
Biermann, A. (2008): Schwermehrfachbehinderung. In: Nußbeck, S.; Biermann, A.; Adam, H. (Hg.): Handbuch Sonderpädagogik: Sonderpädagogik der geistigen Entwicklung. Bd. 4. Göttingen: Hogrefe.
Damag, A.; Schlichting, H. (2016): Essen – Trinken – Verdauen: Förderung, Pflege und Therapie bei Menschen mit schwerer Behinderung, Erkrankung im Alter. Göttingen: Hogrefe.
Dieterle, K. (2010): Ernährungsverhalten von Menschen mit einer geistigen Behinderung: Umsetzung und Evaluation einer pädagogischen Maßnahme zur Verhaltensänderung am Beispiel des Praxisprojektes „Chips oder Salat?“. VDM Verlag.
Fröhlich, A. (2012): Basales Leben. Texte zur Arbeit mit schwer beeinträchtigten Menschen. Bd. 1. Hochspeyer: Internationaler Förderverein Basale Stimulation.
Fröhlich, A. (2015): Basale Stimulation – ein Konzept für die Arbeit mit schwer beeinträchtigten Menschen. Völlig überarbeitete Neuauflage. Düsseldorf: verlag selbstbestimmtes leben.
Giere, S.; Rudrud, E.; McKay, S. (2009): A functional approach to meal planning, preparation, and shopping skills. In: Australia and New Zealand Journal of Development Disabilities 15 (2), S. 81-97.
Haase, K. (2002): Alkoholismus bei Menschen mit einer geistigen Behinderung. Diplomica Verlag GmbH.
Habermann-Horstmeier, L. (2018): Grundlagen der Gesundheitsförderung in der stationären Behindertenarbeit: Eine praxisbezogene Einführung. (1. Auflage), Bern: Hogrefe.
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Maier-Michalitsch, N. (Hg.) (2013): Leben pur – Ernährung bei Menschen mit schweren Behinderungen: ein Praxisbuch. Düsseldorf: verlag selbstbestimmtes leben.
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Schlichting, H. (2013): Pflege bei Menschen mit schwerer Behinderung. Ein Praxisbuch. Düsseldorf: verlag selbstbestimmtes leben.
Stinkens, U. (2013): Lebenspraxis und Bildung – Versorgen und versorgt werden. In: Maier-Michalitsch, N. (Hg.): Leben pur – Ernährung für Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen. Düsseldorf: verlag selbstbestimmtes leben, S. 24-37.