KONKRETISIERUNG · Bildungssituation Mittagessen
SACHASPEKTE UND POTENZIAL
Das Mittagessen eröffnet vielfältige Anknüpfungspunkte für bildungsförderliche Situationen. Diese können als konkret gestaltetes Bildungsangebot ergriffen werden. Gleichzeitig können sich, durch das Aufgreifen von Impulsen der Beschäftigten, bildungsförderliche Situationen ergeben. Hierbei geht es nicht darum, den gesamten Ablauf grundlegend zu verändern, sondern bewusst einzelne Aspekte aufzugreifen und so zu modifizieren, dass sie die Möglichkeit schaffen, eine neue Facette der bekannten Situation kennenzulernen. Beim Mittagessen können sich solche Potenziale beispielsweise durch das Erleben neuer Geschmacksrichtungen oder durch das Kennenlernen von Essgewohnheiten anderer Kulturen. Folgend sind weitere Beispiele gesammelt.
Variationsmöglichkeiten
Variationen in Mundgefühl und Geschmack
- Anbieten unterschiedlicher Konsistenzen
- Temperaturabhängige Veränderung der Konsistenz erfahren (Eis, Schokolade … schmilzt im Mund)
- Mit Gewürzen und Gewürzkombinationen experimentieren
- Veränderter Geschmack von Lebensmitteln vor und nach der Verarbeitung schmecken
- Lebensmittel und Gewürze aus anderen Ländern kennenlernen
Variationen der Aktivitäten
- Nahrungsmittel mit und ohne Schale erkunden
- Unterschiedliche Verarbeitungswege ausprobieren und Variationen im Geschmack herausfinden
- Speisen aus anderen Kulturen zubereiten und essen
- Die Mahlzeit alleine, in einer kleinen Gruppe oder in einer anderen Gruppe einnehmen
Variationen der Orte
- Mittagessen unterwegs
- Platzwechsel
- Essen mit einer anderen Gruppe
IMPULSFRAGEN
Welche Möglichkeiten der Variation sind vorhanden?
Welche Möglichkeiten, das Essen außerhalb der Einrichtung einzunehmen, gibt es im näheren Umfeld?
Welche Möglichkeiten, das Essen selbst zuzubereiten, gibt es?
Welche Vorlieben haben die Beschäftigten?
DIFFERENZIERUNG
Körperwahrnehmung
- Bei verminderter Körperwahrnehmung regelmäßig Getränke anbieten
- auf die Essenssituation vorbereiten (De-Sensibilisierung des Mundraums, Essbesteck zur Erkundung anbieten)
- unterschiedliche Konsistenzen und Temperaturen des Essens anbieten, um eine bessere Wahrnehmung des Essens im Mund- und Rachenraum zu ermöglichen
Taktile Wahrnehmung
- Erkundung des Essens mit den Händen und im Mund anbieten
Visuelle Wahrnehmung
- Teller, Besteck und Glas immer gleich positionieren, um Orientierung zu ermöglichen
- unterschiedliche Komponenten des Essens immer gleich anordnen (z. B. Fleisch oben auf dem Teller, Gemüse rechts, Sättigungsbeilage links)
Auditive Wahrnehmung
HANDLUNGSLEITENDE PRINZIPIEN
Selbstbestimmung und Mitbestimmung
- Mitarbeiter_in nimmt Assistenzrolle ein
- Individuelle Vorlieben in Bezug auf Konsistenz und Geschmack des Essens berücksichtigen
- individuelles Zeitlassen beim Essen ermöglichen (Zeit für Pausen und Unterhaltungen)
- mitbestimmen können, wie die Tischsituation gestaltet wird
- aussuchen können, ob alleine oder in der Gruppe gegessen wird
- Essen und Getränke im Rahmen der Möglichkeiten mit auswählen lassen
Adressierung als Erwachsene
- auf eine erwachsenengemäße Ansprache achten
- biografische Erfahrungen berücksichtigen
- Ablehnen des Essens und die einseitige Auswahl von Nahrungsmitteln akzeptieren
Kommunikation und Interaktion
- Orientierung über den geplanten Ablauf geben (Tisch decken, Essen, Tisch abräumen)
- Kommunikationsimpulse in der Essenssituation aufgreifen (z. B. in Pausen; abwehrendes Verhalten)
- Absprachen zwischen den Mitarbeiter_innen treffen, wie die Situation mit den einzelnen Beschäftigten gestaltet werden soll, um Orientierung zu bieten
- Zuständigkeiten im Notfall klären (z. B. bei Verschlucken oder Erbrechen)
Respektvolle Haltung und Achtsamkeit
- für eine angenehme Atmosphäre am Tisch sorgen (den Tisch ansprechend eindecken, eine Sitzordnung finden, die zum Austausch anregt oder die notwendige Ruhe und Intimität schafft)
- Orientierung ermöglichen durch Routinen und Rituale (z. B. individuellen Rhythmus finden, in dem das Essen angereicht wird; unabhängig von Mitarbeiter_innen einen gleichbleibenden Ablauf gewährleisten)
- Vorlieben und Abneigungen beachten (z. B. hinsichtlich des Geschmacks, der Konsistenz)
- Sensibilitätsstörungen im und am Mund berücksichtigen
- Zeitdruck während des Essens vermeiden
Kompetenzerfahrung
- Handlungsorientierung ermöglichen (z. B. durch Routinen, Bildkarten, Besprechen des Ablaufs)
- Möglichkeiten schaffen Teilschritte selbstständig auszuführen (z. B. durch angepasstes Besteck, Bildkarten, die helfen, den Tisch zu decken)
THEMENBEZOGENES WORTFELD
Nomen
- das Essen
- das Mittagessen
- das Frühstück
- der Hunger
- der Durst
Verben
- essen
- trinken
Adjektive
- süß
- sauer
Phrasen
- Ich bin satt.
- Kannst Du mir bitte … reichen?
- Das schmeckt gut.
BEISPIELPLANUNG
Vorphase
- Routinen im Ablauf und Vorlieben des Beschäftigten werden betrachtet
- Gemeinsam mit den Beschäftigten wird festgelegt, dass anstatt des üblichen Puddings nun auch anderer Nachtisch kennengelernt werden soll.
Ausschlaggebend für die Themenauswahl waren mehrere Faktoren:
- Die meisten Beschäftigten essen gerne Nachtisch, es gibt jedoch häufig Pudding, der keine Variationen der Konsistenz zeigt.
- Viele Beschäftigte mögen gerne süße Speisen.
Kalte Speisen sind auch für Beschäftigte mit Schwierigkeiten beim Schlucken gut zu fühlen und bieten eine starke Empfindung im Mund.
Einstieg
- Situation durch Mitarbeiter vorbereiten, Absprachen im Team treffen, die einen reibungslosen Ablauf gewährleisten (z. B. Vermeiden von Störungen und Unterbrechungen)
- Nach dem Mittagessen wird das vorbereitete Eis aus dem Gefrierschrank genommen
Am Vormittag haben zwei Beschäftigte mit einer Mitarbeiterin selbst Eis mit unterschiedlichen Geschmacksrichtungen hergestellt. Hierzu haben sie unterschiedliche Beeren verwendet. Die Sorten werden einzeln nebeneinander in kleinen Schälchen angerichtet, sodass jeder Beschäftigte die Möglichkeit hat, alle Sorten zu probieren.
Durchführung
- Ausprobieren und erproben lassen
- Orientierung geben
- Ablehnen des Angebots als Möglichkeit mitdenken
Die Beschäftigten bekommen die Möglichkeit, das Eis zu erkunden. Hierzu dürfen sie alle Sinne benutzen. Einigen Beschäftigten wird das Eis mit dem Löffel angereicht. Das Schmilzen des Eises, seine Kälte und die unterschiedlichen Geschmacksrichtungen bieten Möglichkeiten für Gesprächsanlässe. Jeder Beschäftigte darf seine Lieblingssorte bestimmen.
Abschluss
Gemeinsam wird abgeräumt. Hände und Mund werden gewaschen.