Waldprojekt

KONKRETISIERUNG  ·  Im Wald

 

SACHASPEKTE UND POTENTIAL

Wälder, oft als ‚grüne Lunge‘ der Erde bezeichnet, sind besondere Orte der Erholung. Aufenthalte im Wald können sowohl der Entspannung und dem Stressabbau dienen als auch vielfältige Wahrnehmungs- und Bildungsprozesse anregen. Als starker Reizgeber fordert der Wald zum Erkunden und Entdecken auf, z.B. dem Erkennen unterschiedlicher Farben und Formen von Pflanzen, dem Beobachten von Tieren, dem Spüren des weichen oder nadeligen Waldbodens oder dem Wahrnehmen verschiedener Gerüche und Geräusche. Die vielfältigen Objekte des Waldes können dabei als Gesprächsanlässe dienen und zum Kommunizieren zu zweit oder in der Gruppe einladen.

Gerade um die Aktivierungseinschränkungen und die damit verbundenen Aktivitätseinbußen von Menschen mit schwerer Behinderung zu verringern, sind regelmäßige Ausflüge in die Natur sinnvoll. Besonders der Wald kann dabei als ein Ort der Freiheit und Vielfalt im Gegensatz zu den begrenzten Möglichkeiten einer Einrichtung wahrgenommen werden.

Damit der Wald als ein Naturraum für die Beschäftigten an Bedeutung gewinnen kann, sollte eine Routine hinsichtlich der Ausflüge in den Wald etabliert werden (z.B. ein wöchentlicher oder 14-tägiger Rhythmus). Der Wald kann dadurch zum einen in seiner Beständigkeit und zum anderen in seinem Wandel erlebbar werden. Beständigkeit ist in den Pflanzen, Fels- und Bodenformationen zu erkennen, die immer wieder am gleichen Ort aufgesucht werden können. Wandel wird sowohl durch die Veränderungen im Jahresverlauf und das Wachstum der Pflanzen als auch durch Eingriffe des Menschen (Forstarbeiten u.ä.). sowie Wetter- bzw. Klimaschäden (Sturm, Dürre usw.) erlebbar.

Folgende inhaltliche Schwerpunkte eines Waldtages bieten sich an:

  • Pflanzen und Tiere in den unterschiedlichen Waldschichten wahrnehmen und beobachten (z.B. am Boden, in der Strauch- oder Baumschicht), dabei den Lebensraum einzelner Pflanzen und Tiere genauer kennenlernen,
  • die emotionale Verbundenheit mit der Natur unterstützen (z.B. einen Lieblingsbaum oder -ort auswählen und diesen immer wieder aufsuchen, Veränderungen im Jahresverlauf wahrnehmen und z.B. durch Fotos, Zeichnungen, Abdrücke dokumentieren),
  • Beeren, Pilze, Naturmaterialien sammeln,
  • ein Picknick im Grünen vorbereiten und durchführen (z.B. auf einer Lichtung, am Waldrand),
  • künstlerisch-kreative Arbeiten durchführen (z.B. Land Art, Klänge und Geräusche mit Naturmaterialien erzeugen, Fotoprojekt).

Gerade im Wald kann die Vielfalt des Lebendigen und die Verbundenheit mit der Natur erfahrbar werden. Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist, dass regelmäßig genügend Zeit zur Verfügung steht, um den Wald aufzusuchen und Natur zu erleben.

IMPULSFRAGEN

Welcher Wald befindet sich in der Nähe der Einrichtung?

Welchen inhaltlichen Schwerpunkt soll das Angebot im Wald haben?

Sind spezifische Vorsichtsmaßnahmen zu beachten (z.B. Allergien der Teilnehmer_innen, Gefahr der Unterkühlung, Zeckensaison)?

Welche weiteren Arbeitsangebote oder kulturellen Projekte könnten sich an den Waldtag anschließen (z.B. Beerenmarmelade kochen, Fotoausstellung gestalten)?

Könnte als Alternative zum Wald ein anderer Naturraum regelmäßig aufgesucht werden (z.B. Park, Flusslandschaft)?

DIFFERENZIERUNG
  • durch Veränderung der Position körperliche Ausdrucksmöglichkeiten und Bewegungen unterstützen (z.B. auf einer Decke liegen und nach Blättern greifen)
  • Bewusstsein für die eigenen Bewegungsmöglichkeiten schaffen, durch verbale Rückmeldung bei gelingenden Abläufen (z.B. etwas über dem Kopf greifen, große Schritte machen, springen, klettern)
  • die Wahrnehmung der eigenen Körpergröße durch gezielte Bewegungen unterstützen (z.B. beim Strecken zu einem Ast, Überwinden einer Senke, Begehen eines schmalen Wegs zwischen Felsen)
  • körperliche Erschöpfung wahrnehmen und stellvertretend verbalisieren („Ich sehe, Sie sind ganz außer Atem …“)
  • deutliche Kontraste nutzen, um unterschiedliche haptische Eindrücke zu unterstützen (z.B. weiches Moos, spitze Nadeln)
  • auf die unterschiedliche Bodenbeschaffenheit hinweisen (z.B. beim Barfußlaufen, Rollen und Laufen durch den Wald)
  • kontrastreiche Merkmale im Wald zur Orientierung nutzen (z.B. Felsen, Findling, Lichtung)
  • visuelle Hilfen anbringen bzw. Wegweiser nutzen, um den Weg zum ausgewählten Platz im Wald zu finden
  • Blendung vermeiden
  • Lupe und Fernglas nutzen
  • weißen oder schwarzen Untergrund mitnehmen, um einzelne Pflanzen hervorheben zu können
  • handlungsbegleitend sprechen und dabei unterschiedliche Naturphänomene beschreiben
  • andere Wahrnehmungsmöglichkeiten verstärkt nutzen, z.B. auf die vielfältigen Geräusche im Wald aufmerksam machen, ein Begreifen des Waldes durch taktile Eindrücke unterstützen
  • auf unbekannte Geräusche im Wald aufmerksam machen
  • bekannte Waldgeräusche (z.B. Ruf des Kuckucks, der Nachtigall) technisch verstärkt in der Einrichtung vorspielen, um einen Wiedererkennungseffekt im Wald zu unterstützen

Hörbeeinträchtigung:

  • verstärkt visuelle Eindrücke berücksichtigen, besondere Farben und Formen im Wald in den Mittelpunkt rücken, Fotos mit einbeziehen
  • Vibrationseindrücke nutzen (z.B. an Bäumen, federnder Untergrund)
  • auf das Spüren von Sonne, Regen und Wind auf der Haut aufmerksam machen
  • auf die verschiedenen Gerüche im Wald aufmerksam machen, ggf. auf Geruchssensibilität achten
  • Kräuter und Beeren verkosten
  • räumliche Orientierung im Wald unterstützen durch das gemeinsame Abgehen bzw. Abfahren der Wege und das Nutzen markanter Orientierungspunkte
HANDLUNGSLEITENDE PRINZIPIEN
  • freiwillige Teilnahme am Waldprojekt
  • unterschiedliche Aktivitäten im Wald kennenlernen, um Vorlieben bzw. Abneigungen entwickeln zu können, zwischen verschiedenen Aktivitäten wählen lassen, vermutete Entscheidungen rückmelden („Ich habe den Eindruck, dass Sie … möchten“)
  • Rituale des Waldprojektes gemeinsam festlegen und gestalten (z.B. Anfangs- und Endritual, Snackzeit)
  • Raum und Zeit zum körperlichen Ausagieren, zum Kennenlernen des Ortes, für individuell bedeutsame Aktivitäten lassen
  • ggf. wichtige persönliche Erfahrungen berücksichtigen (z.B. Naturerfahrungen der Teilnehmer_innen, Kindheitserlebnisse im Wald)
  • Verantwortung für einzelne Teile des Angebots übernehmen (z.B. Ausrüstung für den Ausflug packen, Snackpause vorbereiten, Weg zum Waldstück finden, Anfangsritual durchführen, Fotodokumentation des Waldtages)
  • Ruhe erleben, auch einmal nicht kommunizieren (müssen), die Natur auf sich wirken lassen
  • ggf. nonverbalen Austausch über Naturmaterialien anregen (z.B. Austausch von Holzstücken, gemeinsames Zeichnen in den Waldboden)
  • Regeln der Kommunikation im Wald berücksichtigen (kein Lärmen und lautes Rufen)
  • sich als Beschäftigte und Mitarbeiter_innen über das gemeinsam Geleistete freuen (z.B. bei künstlerisch-kreativen Aufgaben)
  • Atmosphäre herstellen, die Lust auf Bewegung und Entdeckungen in der Natur macht
  • physisches Wohlbefinden in der Natur sicherstellen (z.B. angenehme Sitzposition, Wärme, Wind- und Regenschutz, Erschöpfung und Unterkühlung verhindern)
  • Positionswechsel ermöglichen
  • Snackpause einplanen
  • Orientierung geben, um Pflanzen und Orte sowie Aktivitäten im Wald wiedererkennen zu können
  • Zeit lassen, um sich selbst im Wald ‚zu organisieren‘ (entscheiden lassen, ob Entspannung oder neue Entdeckungen im Vordergrund stehen)
  • flexibel auf das aktuelle Interesse reagieren
  • Rückmeldung darüber geben, womit sich die einzelnen Teilnehmer_innen während des Waldtages auseinandergesetzt haben
THEMENBEZOGENES WORTFELD
  • der Wald
  • der Baum
  • der Boden
  • die Pflanze
  • die Natur
  • das Tier
  • der Strauch
  • das Moos
  • das Blatt
  • die Beeren
  • die Pilze
  • die Jahreszeiten
  • der Frühling
  • der Sommer
  • der Herbst
  • der Winter
  • das Geräusch
  • die Ruhe
  • die Ameise
  • das Eichhörnchen
  • der Fuchs
  • der Schmetterling
  • der Vogel
  • laufen
  • gehen
  • riechen
  • schmecken
  • erkunden
  • klettern
  • erleben
  • beobachten
  • sehen
  • pflücken
  • spielen
  • laut
  • leise
  • kalt
  • rau
  • glatt
  • dunkel
  • nass
  • hell
  • warm
  • trocken
  • süß
  • sauer
  • Ich sehe …
  • Was sehen Sie?
  • Wollen Sie einmal probieren?
  • Gefällt Ihnen das?
  • Mir ist kalt.
  • Mir ist warm.
  • Ich brauche eine Pause.
  • Ich möchte gehen.
  • Ich möchte …
  • Mir gefällt …
  • Das fühlt sich … an.
  • Ich möchte heute …
BEISPIELPLANUNG

Grundlage für das regelmäßig stattfindende Angebot im Wald ist die Wahl eines geeigneten Waldstücks (ggf. mit einem Unterstand, einer kleinen Lichtung, nicht allzu weit entfernt vom Arbeits- und Bildungsort). Vorab sollte bei einer genauen Ortsbegehung geklärt werden, welche Hindernisse oder ungünstigen Bodenverhältnisse das Laufen bzw. Rollen erschweren könnten.

Zur konkreten Vorbereitung des Waldtages gehört das gemeinsame Packen der Ausrüstung. Eine Packliste mit Fotos kann die Teilnehmer_innen dabei unterstützen, die benötigten Sachen weitestgehend selbständig zu packen. Neben witterungsgerechter Kleidung, Snacks, Erste-Hilfe-Set sowie Regen- und Sonnenschutz werden auch Materialien zum bequemen Sitzen und Liegen benötigt (Decken, Keile). Außerdem sind spezifische Voraussetzungen zu berücksichtigen, sowohl individuell (z.B. hinsichtlich Allergien) als auch allgemein (Wetter).

Die vorbereitenden Handlungen, wie das Packen der Sachen, das Anziehen passender Kleidung und stabiler Schuhe sowie der Weg in den Wald, sollten immer wieder ähnlich ablaufen, damit sich die Beschäftigten auch dabei schon auf das Angebot im Wald einstimmen können.

Im Wald kann das Angebot gemeinsam mit einem kleinen (Beobachtungs-)Auftrag in der Gruppe beginnen, z.B.:

  • eine Stilleübung (für eine Minute still sein und auf die Geräusche im Wald hören),
  • etwas sammeln (z.B. Holz, Moos) und sich gegenseitig zeigen,
  • gemeinsam ein Tier entdecken oder eine Pflanze genau betrachten.

Im Anschluss daran werden Zuständigkeiten für die regelmäßig anstehenden Aufgaben geklärt (z.B. Vorbereitung der Snackpause, Dokumentation des Waldtages mit Fotos).

Während des Waldtages können sich Phasen der individuellen Walderkundung mit Gruppenangeboten (z.B. ein gestalterisches Projekt mit Naturmaterialien, die Beobachtung von Tieren) abwechseln. Eine feste Pausenzeit dient als gemeinsamer Bezugspunkt,

Es ergeben sich v.a. zwei Aufgaben für die Mitarbeiter_innen:

  1. die (weitestgehend) selbstbestimmte Auseinandersetzung der Beschäftigten mit den Objekten im Wald zu unterstützen (z.B. ihr Interesse für bestimmte Naturmaterialien aufgreifen)
  2. neue Aktivitäten anzuregen (z.B. klettern, springen, etwas bauen oder pflücken) oder die Aufmerksamkeit auf noch unbekannte Pflanzen und Tiere im Wald zu lenken

Außerdem sollten die Mitarbeiter_innen die Grundbedürfnisse der Beschäftigten während des längeren Aufenthaltes in der Natur im Blick behalten (z.B. Wärme, Lageveränderung).

Besonders an den ersten Waldtagen sollten die Teilnehmer_innen genug Zeit erhalten, um sich mit dem Areal vertraut zu machen: Mit Unterstützung können verschiedene Wege gegangen oder gerollt, markante Pflanzen, Steine oder Felsformationen wahrgenommen und unterschiedliche Orte zum Sitzen und Liegen ausprobiert werden. Damit wird der Bezug zum gewählten Waldstück gestärkt.

Zum Abschluss des Waldtages bietet sich ein kurzer Austausch in der Gruppe über die einzelnen Aktivitäten an. Es können auch kleine gestalterische Land Art-Projekte oder besondere Objekte, z.T. stellvertretend durch die Mitarbeiter_innen, präsentiert werden.

Gesammelte Naturmaterialien können mit in die Einrichtung genommen werden, z.B. auch zur weiteren Ver- oder Bearbeitung. Oder sie werden vor Ort deponiert, um ein weiteres Hantieren am nächsten Waldtag zu ermöglichen.

Das Angebot im Wald wird durch Fotos, Videos oder auch durch das Sammeln von Materialien dokumentiert. Diese zeigen zum einen die Aktivitäten und die individuelle Auseinandersetzung mit den Objekten des Waldes und geben zum anderen einen Einblick in den Wandel des Waldes im Jahresverlauf. Es bietet sich an, ein individuelles Waldtagebuch für die einzelnen Teilnehmer_innen zu gestalten oder ein gemeinsames Waldtagebuch der Gruppe zu führen.