Projekt – BFB-Rat

KONKRETISIERUNG  ·  Etablierung einer Teilnehmendenvertretung im Beschäftigungs- und Förderbereich *

Thomas Franke – Mosaik Berlin

SACHASPEKTE UND POTENTIAL

Ein wichtiges Merkmal des Erwachsenseins in unserer Gesellschaft ist das Recht auf Mitwirkung und Mitbestimmung. Dies vollzieht sich auf ganz unterschiedlichen Ebenen – auf politischer Ebene z.B. in Form des aktiven und passiven Wahlrechts. Auf beruflicher Ebene haben Arbeitnehmer Mitwirkungsrechte über den Betriebsrat und über Gewerkschaften. Für Mitarbeitende in den WfbM gibt es Regelungen, die das arbeitnehmerähnliche Verhältnis abbilden. Sie sind dezidiert in der Werkstättenmitwirkungsverordnung (http://www.gesetze-im-internet.de/wmvo/) aufgeführt. Selbst in der Schulzeit konnten Teilnehmende mit hohem Unterstützungsbedarf über die Wahl von Klassensprechern eine Form der Mitwirkung erfahren.

Für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf, die in den BFB tätig sind, ist eine solche Mitwirkungsmöglichkeit gesetzlich nicht vorgesehen und bislang auch nicht gängige Praxis. Es bietet sich hier jedoch eine großartige Chance, demokratische Grundprinzipien erfahrbar zu machen und Partizipation im Alltag umzusetzen.

Ziel der Maßnahme ist es also, Teilnehmenden mit hohem Unterstützungsbedarf zu der Erfahrung zu verhelfen, dass ihre Meinung gefragt ist, dass sie gehört werden und sie ganz konkret Einfluss nehmen können auf die Gestaltung ihres Arbeitsalltags.

Damit dies gelingen kann, muss der BFB-Rat durch eine Fachkraft (BFBR-Beauftragte) geschult und begleitet werden. Wichtig ist, dass die Begleitung ihre Aufgabe darin sieht, den Ratsmitgliedern die Kompetenzen zu vermitteln und die Hilfestellungen zu leisten, die notwendig sind, damit der Rat seine Aufgaben wahrnehmen kann. Auf inhaltliche Entscheidungen und Wünsche darf durch die Beauftragte kein Einfluss genommen werden. Eine besondere Herausforderung bei der Schulung der Ratsmitglieder könnte darin bestehen zu vermitteln, dass es nicht darum geht, die eigenen Wünsche durchzusetzen, sondern die Interessen aller Teilnehmenden zu vertreten und das Prinzip demokratischer Mehrheiten zu beachten. Die BFBR-Beauftragte begleitet die Sitzungen, assistiert ggf. einzelnen Mitgliedern und stellt die notwendige UK sicher.

Optimalerweise sollten die Mitglieder des BFB-Rats in einer demokratischen Wahl ermittelt werden. Wenn dies im ersten Schritt eine Überforderung darstellt, könnten auch geeignete Mitglieder durch die Leitung benannt werden. Nach einer ersten Amtsperiode, in der ausreichend praktische Erfahrungen gesammelt wurden, könnte dann in einem nächsten Schritt für die darauffolgende Amtsperiode eine Wahl stattfinden[1].

Die neu gewählten (oder bestimmten) Mitglieder sollten, in Form von Schulungen und Workshops notwendige Kompetenzen vermittelt bekommen, die es ihnen ermöglichen ihre Rechte und Pflichten wahrzunehmen. Im Rahmen der Konstituierung des BFB-Rats wird unter Beteiligung der Mitglieder und der Standortleitung die geltende Satzung in leichter Sprache formuliert. Mithilfe der UK-Beauftragten wird diese allen Teilnehmenden am Standort barrierefrei zugänglich gemacht.

Die Aufgaben des BFB-Rats umfassen folgende Punkte:  

  • Teilnahme an Schulungen und Workshops
  • Mitwirkung bei Raumgestaltung (z.B. Flurdeko)
  • Mitwirkung bei Ausflügen (wo fahren wir hin, was gibt es zu essen etc.)
  • Mitwirkung bei der Planung von Festen (die TN könnten z.B. über ein bestimmtes Budget verfügen, das sie nach ihren Wünschen nutzen können)
  • „Sprechstunde“ des Rats für andere TN, in dem sie ihre Sorgen und Wünsche weitergeben können
  • Regelmäßige Gespräche mit Standortleitung
  • Mitwirkung bei Personaleinstellung (Wenn ein Bewerber zur Hospitation eingeladen wird, könnte man an diesem Tag auch 20 Minuten oder eine halbe Stunde Gespräch mit dem BFB-Rat vor Ort durchführen. Die Teilnehmenden dürfen Fragen stellen und im Anschluss ihren Eindruck an die Leitung oder einen benannten Ansprechpartner weitergeben.
  • Austausch mit anderen BFB-Räten des Trägers
  • Ggf. Konstituierung einer standortübergreifenden Teilnehmendenvertretung
  • Austausch mit dem Werkstattrat

Dafür notwendige Materialien (Tablets, Laptop, Beamer, technische Möglichkeit für Videochats u.ä.) müssen durch die Standortleitung zur Verfügung gestellt und durch die BFBR-Beauftragte zugänglich gemacht werden.

[1] Bei Mosaik-Berlin starten wir an zwei Standorten Pilotprojekte. An einem dieser Standorte wurden die BFB-Ratsmitglieder bestimmt, an einem anderen fand eine Wahl statt.

IMPULSFRAGEN

Welche individuellen und gruppenbezogenen Möglichkeiten zur Mitbestimmung bestehen bisher für die Beschäftigten (z. B. bei der Gestaltung von Angeboten)?

Wie kann dieser Entscheidungsrahmen noch erweitert werden (z. B. hinsichtlich der Wahl der Angebote, Arbeitszeit, Ausflüge)?

Gibt es bereits Kontakte zu anderen Selbstvertretungsgremien (z. B. zum Werkstattbeirat, zum Beirat in der Wohnstätte) oder könnten diese aufgebaut werden?

Wie wird der Informationsfluss am Arbeits- und Bildungsort gesichert (z. B. bei der Einstellung neuer Mitarbeiter_innen)? Sind wichtige Informationen z. B. auch in Leichter Sprache, in bildlicher Darstellung oder als Audiodatei verfügbar?

DIFFERENZIERUNG
  • Auf Anspannung, Entspannung achten und Rückschlüsse auf Befindlichkeit ziehen (Bsp.: Unruhiges Hin- und Herrutschen oder auch geschlossene Augen und tiefes Atmen können beide auf dringenden Pausenbedarf hindeuten). Durch Nachfragen verifizieren und berücksichtigen.
  • Themen, die sich dazu eignen (z.B. Raumgestaltung, Pflege-, bzw. Hilfsmittel oder Arbeitsangebote) direkt erfassen und nicht nur theoretisch bearbeiten (Beispielsweise eine Beschwerde, wie: „Das Klopapier ist zu hart.“)
  • Sitzordnung so gestalten, dass die genutzten Medien für alle gut wahrnehmbar sind.
  • Symbole oder Bilder ausreichend groß und mit starken Kontrasten nutzen
  • akustische Signale (z. B. Glocke) nutzen, um einzelne TOPs zu verdeutlichen (Pausenende, nächster Diskussionspunkt, Beginn der Abstimmung etc.)
  • wichtige Informationen, die von bestimmten TN nicht ausreichend wahrgenommen werden können, nochmal akustisch verdeutlichen
  • Tagesordnung visualisieren
  • Sachverhalte mit Symbolen oder anderen UK-Methoden verdeutlichen
  • Immer wieder verifizieren, ob das Gesagte von allen verstanden wurde
  • Wenn möglich Bilder und Videos zu geeigneten Themen einsetzen
HANDLUNGSLEITENDE PRINZIPIEN
  • Mitarbeit im BFB-Rat beruht auf Freiwilligkeit. Es ist möglich eine übernommene Aufgabe auch wieder abzugeben. Aber dies muss konsequent erfolgen (kein „Hin- und Her“ nach gegenwärtiger Stimmungslage)
  • Die Kompetenzen der einzelnen Teilnehmenden gemeinsam herausarbeiten und die Aufgabenzuteilung entsprechend transparent gestalten.
  • Allen Teilnehmenden die Möglichkeit geben, ihre Vorstellungen und Ideen einzubringen und dann nachvollziehbar vermitteln, was möglich ist, was teilweise umgesetzt werden kann und was die Befugnisse des BFB-Rats übersteigt
  • Die Teilnehmenden mit Aufgaben betrauen, z.B. in ihrer Arbeitsgruppe zu recherchieren, welche Wünsche und Vorstellungen zu einer bestimmten Thematik vorliegen
  • Offen bleiben für eine Erweiterung bzw. Anpassung des Aufgabengebiets des BFB-Rats
  • Kompetenzermittlung, gemeinsam herausarbeiten, welche Kompetenzen notwendig sind für den BFB-Rat und dann gemeinsam ausarbeiten, wer was gut kann – warme Dusche.
  • Auf einen angemessenen und respektvollen Umgang und Tonfall untereinander achten
  • Die Mitglieder in ihrer Verantwortung bestärken und entsprechend auch Verbindlichkeit einfordern
  • Aufgaben, z.B. die Gestaltung der Sitzungen sukzessive in die Verantwortung der Mitglieder bzw. des Vorsitzes des BFB-Rats abgeben
  • Gegenseitigen Respekt für unterschiedliche Meinungen vorleben und einfordern, dabei aber für Klärung von Sachverhalten und Beseitigung von Missverständnissen sorgen
  • Durch Visualisierung und z.B. Nutzung vertrauter TEACCH-Elemente eine gute Orientierung über den Ablauf der jeweiligen Sitzung geben und die jeweilige Aufgabe verdeutlichen.
  • Dafür sorgen, dass allen Mitgliedern, die notwendigen Mittel der UK zur Verfügung stehen und genutzt werden.
  • Das Moderationsteam muss sicherstellen, dass die Mitglieder sich untereinander verstehen und möglicherweise schwer zu verstehende oder missverständliche Aussagen von Einzelnen für alle nachvollziehbar wiederholen bzw. zusammenzufassen.
  • Das Moderationsteam muss darauf achten, dass jeder die Chance bekommt, sich zu Wort zu melden.
  • Arbeiten im Plenum und in Kleingruppen bedarfsorientiert abwechseln.
  • Kontakt zu anderen BFB-Räten aufbauen, vorzugsweise unter Nutzung von Videochats und anderen Formen digitaler Kommunikation.
  • Gegenebenfalls Hospitationen beim Werkstattrat oder zumindest einen Austausch ermöglichen.
  • Auch Gruppenleitende außerhalb des Moderationsteams in die Aufgaben einbinden, z.B. wenn die BFB-Rat-Beauftragten die Aufgabe erhalten, ein Meinungsbild zu einer bestimmten Thematik am Standort einzuholen.
  • Darauf achten, dass alle Mitglieder des BFB-Rats sich während der Sitzung wohl und sicher fühlen.
  • Klare Regeln gegenseitigen Respekts aufstellen (Niemand darf wegen irgendeiner Äußerung, niedergemacht oder ausgelacht werden, andere Meinungen sind erlaubt, wir hören einander zu und fallen uns nicht ins Wort etc.)
  • Durch Bereitstellung von kleinen Snacks und Getränken für eine angenehme Atmosphäre sorgen, ohne dass dies zu sehr im Vordergrund steht
  • Frustrationserfahrungen, sensibel begleiten (z.B. wenn bestimmte Themenvorschläge keinen Anklang finden oder jemand überstimmt wurde)
  • Belastbarkeit und Bedarfe der einzelnen Teilnehmenden beachten (entsprechend ggf. Pausen anpassen, Toilettengang einschieben u.ä.)
  • Die Mitglieder immer wieder an ihre Rolle (Vertretung der BFB-Teilnehmenden) am Standort erinnern und darin bestärken (dies kann z.B. durch Beiträge auf dem Youtube-Channel des Trägers erfolgen, durch Artikel in der Firmenzeitung oder kurze Posts in den sozialen Medien. Auch bei der Außendarstellung des Standorts, bei Tagen der offenen Tür, auf der Webseite oder in Broschüren bieten sich sehr gute Möglichkeiten die Wahrnehmung der Teilnehmenden in ihrer Rolle zu bestärken.)
  • Wenn möglich, jedem Mitglied eine bestimmte offizielle Funktion zuweisen: z.B. 1. Vorsitzende/r, 2. Vorsitzende/r, Schriftführer/in, Beauftragte (letztere stellen die Bindeglieder zwischen dem BFB-Rat und den Teilnehmenden in den Arbeitsgruppen da, führen also z.B. Umfragen durch oder geben Ergebnisse der letzten Sitzung weiter)
  • Durch regelmäßige Gespräche mit der Standortleitung vermitteln, dass der BFB-Rat ernst genommen wird und seine Mitwirkung Einfluss hat
  • Die wichtigste Erfahrung der Selbstwirksamkeit ist die Umsetzung von Beschlüssen oder das Aufgreifen von Vorschlägen. Diese sollten dann entsprechend gewürdigt werden. Dazu gehört, dass die Mitwirkung aller Beteiligten gesehen und deutlich gemacht wird
THEMENBEZOGENES WORTFELD
  • die Wahl
  • der BFB-Rat
  • die Mitglieder
  • der/die Vorsitzende
  • der/die Schriftführer/in
  • die Beauftragten
  • die Sitzung
  • die Tagesordnung
  • das Protokoll
  • die Aufgabe
  • der Vorschlag
  • die Meinung
  • der Kompromiss
  • die Mehrheit
  • der Beschluss
  • das Ergebnis
  • reden
  • zuhören
  • verstehen
  • leiten
  • befragen
  • entscheiden
  • wählen
  • abstimmen
  • kandidieren
  • beschließen
  • zusammenarbeiten
  • erklären
  • aufmerksam
  • freundlich
  • ehrlich
  • leise
  • heute
  • später
  • das nächste Mal
  • Was denkst du dazu …?
  • Ich möchte (nicht), dass …
  • Meine Meinung ist, dass …
  • Ich schlage vor, dass …
  • Das ist wichtiger (unwichtiger), als …
  • Wer ist dafür? Wer ist dagegen?
  • Ich stimme (nicht) zu. Ich bin (nicht) einverstanden.
  • Damit ist entschieden, dass …
BEISPIELPLANUNG

Damit Beschäftigte an Arbeits- und Bildungsorten die Arbeit in einem Selbstvertretungsgremium überhaupt erst einmal kennenlernen können, kann es sinnvoll sein, dass ein Beirat zunächst nicht durch Wahl, sondern durch Ernennung von Mitgliedern gegründet wird. Es werden dann später in regelmäßigen Abständen Wahlen durchgeführt.

Für die Arbeit des Beirats der Beschäftigten werden gemeinsam Ziele bzw. Meilensteine festgelegt. Dabei sollte auch geklärt werden, wie die Arbeit des Beirats bzw. einzelne Mitglieder durch Mitarbeiter_innen unterstützt werden.

Damit eine gute Zusammenarbeit im Beirat stattfinden kann, sollten sich die Mitglieder näher kennenlernen und wissen, wie sie miteinander ins Gespräch kommen können. Es könnte hilfreich sein, die Beiratsarbeit mit einer gemeinsamen ein- oder mehrtägigen Fortbildung zur Kommunikation und Kontaktaufnahme untereinander zu beginnen.

Im Vorfeld einer Beiratssitzung werden die anstehenden Tagesordnungspunkte mitgeteilt, um ggf. eine längere Vorbereitung auf einzelne Themen zu ermöglichen. Auch inhaltliche Beiträge einzelner Beschäftigter können im Vorfeld (mit Unterstützung) erstellt werden.

Im Weiteren wird beschrieben, wie das Projekt an einem konkreten Standort (mit 30 BFB-Teilnehmenden) umgesetzt wird.
Um einen BFB-Rat verwirklichen zu können, ist es zunächst notwendig, das Team der Mitarbeitenden am Standort für diese Aufgabe zu gewinnen. Nur wenn alle hinter diesem Projekt stehen, kann es auch sinnvoll umgesetzt werden.
Als Einstieg bietet es sich an, das Projekt BFB-Rat vorzustellen und erste konkrete Schritte zu gehen. Dies könnte wie folgt aussehen:

  • Herleitung der Priorität von Teilhabe aus dem BTHG
  • Parallelen zu Betriebsrat und Werkstattrat (http://www.gesetze-im-internet.de/wmvo/) aufzeigen und damit den Bedarf im BFB verdeutlichen
  • Ein gelungenes Projekt vorstellen. Z.B. https://www.youtube.com/watch?v=jXmgaVt-i9I
  • Kritische Diskussion des Films
  • Brainstorming im Team, in dem realistische Möglichkeiten der Mitbestimmung und Mitwirkung am BFB-Standort gesammelt werden
  • Suchen von mindestens zwei Freiwilligen (Begleiter*innen), die Lust haben, einen BFB-Rat zu implementieren und zu begleiten

Die Begleiter*innen erarbeiten gemeinsam mit der Standortleitung ein erstes Portfolio der Mitbestimmungsmöglichkeiten. Im Anschluss wird ein Text in einfacher Sprache verfasst, der den BFB-Rat erklärt und den BFB-Teilnehmenden verdeutlich, dass sie die Möglichkeit haben, sich für dieses Gremium zur Wahl aufstellen zu lassen.
Nun sind alle Voraussetzungen gegeben, mit dem Projekt starten zu können.

Vor Beginn der Sitzung wird der Raum so vorbereitet, dass alle gut einander und ggf. eine Präsentation sehen können. Auch die Snacks für die Pause werden vorbereitet.

Der Beginn der Beiratssitzung erfolgt ritualisiert, die Sitzung wird durch die Leitung eingeläutet. Ein Mitglied führt die Anwesenheitsliste. Es wird festgelegt, wer (mit Unterstützung) das Protokoll der Sitzung führt. Hierfür kann auch ein Aufnahmegerät eingeschaltet werden, um im Nachhinein das Verfassen des Protokolls zu erleichtern.

Um den Austausch unter den Beschäftigten zu unterstützen, kann das Thema der ersten Gesprächsrunde die aktuelle Stimmung der einzelnen Mitglieder sein (z. B. „Mir geht es gut / nicht gut. Ich habe mich über … gefreut / geärgert“). Anschließend wird die Tagesordnung vorgestellt. Bilder oder Stichpunkte zu den einzelnen Themen können an einem Whiteboard angebracht und sukzessive abgehakt werden.

Die Wahl
Zuallererst muss dem Umstand Rechnung getragen werden, dass nicht an jedem Standort eine Wahl umsetzbar ist. Die Gründe hierfür können vielfältig sein. Möglicherweise stehen zumindest temporär nicht ausreichend personelle Kapazitäten zur Verfügung. An sehr kleinen Standorten könnte das Konzept einer Wahl für zu viele Personen eine Überforderung darstellen oder aber, es ist mit größter Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass bei einer Wahl nicht die geeigneten Personen berücksichtigt würden. In diesen Fällen kann es angebracht sein, die Mitglieder des BFB-Rats in einem ersten Schritt zu bestimmen. Allerdings sollte dies in dem Bewusstsein erfolgen, dass man sich damit sehr viele großartige Möglichkeiten der Teilhabe und Mitbestimmung nimmt.

Im Weiteren soll nun die Durchführung der Wahl dargelegt werden.
Durch den Einstieg sind die Teilnehmenden mit dem Thema BFB-Rat vertraut gemacht worden. Nun können sich alle Interessierten, die sich am BFB-Rat beteiligen möchten, innerhalb einer Woche bei den Begleiter*innen melden. Sie haben nun die Möglichkeit für sich bei den anderen Teilnehmenden zu werben. So können sie z.B. benennen, wofür sie sich einsetzen wollen.
Natürlich ist es möglich, dass sich Teilnehmende melden, die mit der Aufgabe überfordert sind und für die das Konzept BFB-Rat zu abstrakt ist. Im Rahmen der Gespräche kann dies behutsam gemeinsam erarbeitet werden. (Im Rahmen des Pilotprojekts zog eine der Teilnehmerinnen daraufhin ihre Bewerbung freiwillig zurück). Bei allen, die weiterhin teilnehmen wollen, werden die im Gespräch erarbeiteten Informationen mit einem Foto der Person auf ein Wahlplakat gedruckt. In jedem Raum und etwas prominenter im Eingangsbereich der Einrichtung hängen nun für mindestens eine Woche (kann je nach Bedarf auch länger sein) die Wahlplakate aller Bewerber und Bewerberinnen. Alle Teilnehmenden der Einrichtung haben Wahlrecht. Da mindestens drei Personen zur Umsetzung des BFB-Rats benötigt werden, hat jede wahlberechtigte Person drei Stimmen, mit denen sie drei verschiedene Personen wählen können (es ist also nicht möglich einer Person alle drei Stimmen zu geben). Dies wird immer wieder in Frühbesprechungen und nach Bedarf thematisiert. Die Teilnehmenden können auf die zur Wahl stehenden Personen zugehen und fragen stellen (ggf. mit UK).

An einem festgelegten Tag findet die Wahl statt. Dies erfolgt geheim in einem gesonderten Raum. Die Wahlzettel sind UK-gerecht mit Namen und Fotos ausgestattet. Personen, die motorisch Hilfe benötigen, erhalten diese durch die Begleiter*innen (in diesem Fall ist die geheime Wahl nicht möglich). Natürlich ist die Wahl freiwillig.

Bei der Bekanntgabe der Wahlergebnisse sollte die Anerkennung und Wertschätzung aller Gewählten im Mittelpunkt stehen. Zudem sollte nochmal verdeutlicht werden, für was die Personen ihre Stimmen erhalten haben, was also ihre Aufgabe ist.
Dies könnte im Rahmen einer Wahlparty stattfinden. Im konkreten Beispiel versammelten sich alle Gewählten im größten Raum der Einrichtung, es wurde mit Sekt angestoßen (aufgrund der Medikation mancher TN alkoholfrei) und alle erhielten eine Rose. Die Standortleitung hielt eine kurze Rede, gratulierte den Gewählten und verdeutlichte, dass sie nun die verantwortungsvolle Aufgabe hätten, die Interessen aller Teilnehmenden zu vertreten.

BFB-Rat-Konstitution und Schulungen

Die BFB-Rat-Sitzungen werden durch die Begleiter*innen vorbereitet und begleitet. Zunächst müssen die Sitzungen in kürzeren Abständen erfolgen, da sich der Rat erst konstituieren muss und die einzelnen Mitglieder einer Schulung bedürfen.

Für den Fall, dass mehr Personen gewählt wurden, als sinnvoll im Rahmen der Kernaufgaben des Rats tätig werden können, gibt es zwei Möglichkeiten:
1. Es wird streng nach Wahlergebnis vorgegangen und festgelegt, dass die geeignete Anzahl (beispielsweise drei bis fünf Personen) mit den meisten Stimmen Mitglieder im BFB-Rat sind und die anderen als Nachrücker zur Verfügung stehen.
2. Es werden, orientiert an den Fähigkeiten, verschiedene Aufgaben verteilt, die eine differenziertere Partizipation ermöglichen, so dass niemand enttäuscht werden muss und zugleich eine sinnvolle Aufgabenteilung umgesetzt werden kann. Das könnte wie folgt aussehen:
Es gibt den „kleinen Rat“, der aus 1. Vorsitz, 2. Vorsitz, Schriftführer besteht und sich häufiger trifft (nach der Schulungsphase z.B. monatlich). Und es gibt den „großen Rat“, zu dem zusätzlich die BFB-Rat-Beauftragten gehören. Dieser trifft sich dann einmal im Quartal. Kernaufgabe der Beauftragten ist es, ein Bindeglied zwischen BFB-Rat und Teilnehmenden der Einrichtung zu sein. Sie könnten z.B. in ihren Gruppen Infos des BFB-Rats weitergeben oder Umfragen unter den Teilnehmenden durchführen (natürlich mit entsprechender Hilfestellung, UK etc.)

In den ersten Sitzungen geht es zunächst um die Aufgabenzuteilung.
Dies kann z.B. mithilfe eines Aufgabenprofils erfolgen.
Für den Vorsitz muss man:

  • Gut zuhören können
  • Sich Dinge gut merken können
  • Sich trauen auf andere zuzugehen
  • Die Interessen anderer vertreten, nicht nur die eigenen
  • Sich trauen, dem Chef zu sagen, was die Teilnehmenden sich wünschen
  • Bei einem Streit vermitteln können
  • Gut reden können (das muss nicht verbal sein, ggf. auch mit Hilfe von UK)

Die Erarbeitung der individuellen Kompetenzen könnte zunächst im Rahmen verschiedener Übungen erfolgen. Zum Beispiel wäre es möglich für jeden Teilnehmenden eine Fremd- und Selbsteinschätzung der Fähigkeiten und Begabungen vorzunehmen. Wichtig ist, dass es an dieser Stelle um Kompetenzen geht, nicht um Schwächen. Für die Fremdeinschätzung würde sich z.B. das Konzept der „warmen Dusche“ eignen (https://www.methodenkartei.uni-oldenburg.de/uni_methode/warme-dusche/)

Sobald die Rollen der einzelnen Mitglieder festgelegt sind, muss eine Satzung erstellt werden.
Hier gibt es ja bereits eine von Mitarbeiterteam und Leitung erstellte Vorgabe, die nun erläutert und ggf. durch Vorschläge der BFB-Rat-Mitglieder ergänzt werden kann.
Diese Satzung muss dann mit der Standortleitung abgestimmt und verabschiedet werden. Neben einer kurzen Beschreibung von Sinn- und Zweck des BFB-Rats ist der Kern der Satzung die Auflistung der Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte.

Diese könnten wie folgt aussehen:

  • Mitwirkung bei der Einrichtungsgestaltung (z.B. Flurdeko in einem bestimmten Bereich)
  • Mitwirkung bei Ausflügen (Wo fahren wir hin? Was gibt es zu essen?)
  • Mitwirkung bei Planung von Festen (Die TN könnten z.B. über ein bestimmtes Budget verfügen, das sie nach ihren Wünschen nutzen können.)
  • „Sprechstunde“ des Rats für andere TN in dem sie ihre Sorgen und Wünsche weitergeben können.
  • Regelmäßige Gespräche mit der Standortleitung.
  • Mitwirkung bei Personaleinstellung (Wenn ein/e Bewerber/in zur Hospitation eingeladen wird, könnte man an diesem Tag auch ein Gespräch mit dem BFB-Rat vor Ort durchführen. Die Teilnehmenden dürfen Fragen stellen und im Anschluss ihren Eindruck an die Leitung oder einen benannten Ansprechpartner weitergeben.)

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Festlegung der Dauer der Amtszeit. Analog zum Betriebsrat wären vier Jahre denkbar. Es wäre aber auch möglich, für den Beginn einen kürzeren Zeitraum (z.B. zwei Jahre) festzulegen, um die gemachten Erfahrungen für eine optimierte Gestaltung der Wahl bzw. eine neue Satzung zu nutzen.

Je nach Bedarf und Möglichkeiten können für die BFB-Rat-Mitglieder gezielte Schulungen und Workshops angeboten werden.
Themen könnten z.B. sein

  • Kommunikationsregeln für Besprechungen
  • Durchführen von Befragungen und Abstimmungen
  • Workshop der politischen Bildung: Was ist Demokratie

Durchführung der BFB-Rat-Sitzungen

Die Sitzung muss durch Mitglieder mit Unterstützung der Begleiter*innen vorbereitet werden. Dazu gehört, technisches Equipment (Moderationsglocke, Whiteboard, Stifte, ggf. Laptop und Beamer), Moderationskoffer (Abstimmungszettel, Stimmungskarten, wichtige Symbole, Stifte, Moderationskarten, Tesafilm etc. enthalten sind), Stühle und Tische aufstellen, Getränke und Gebäck.

Es bietet sich an, die Sitzungen immer nach einem bestimmten Muster ablaufen zu lassen. Der Beginn der Beiratssitzung wird durch den Vorsitz eröffnet (möglicherweise durch Läuten einer Glocke). Der Schriftführer führt die Anwesenheitsliste und führt (mit Unterstützung) das Protokoll der Sitzung. Im einfachsten Fall schaltet er ein Aufnahmegerät ein, um mit Hilfe der Begleiter*innen im Anschluss ein Protokoll erstellen zu können.
Zu Beginn könnte ein „Blitzlicht“ durchgeführt werden, in dem die Mitglieder kurz ihre momentane Stimmung wiedergeben (ggf. mit Symbolkarten). Die Begleiter*innen können das bei Bedarf kurz aufgreifen.
Es werden die zu besprechenden Themen gesammelt, und auf einem Whiteboard oder am Laptop (mit Beamer) niedergeschrieben.
Die Themen werden besprochen. Ggf. übernimmt ein Mitglied die Moderation.
Abstimmungen erfolgen in einem festen Ritual, per Handzeichen oder aber mithilfe von Abstimmungskarten.
Die Anzahl der TOPs sollte nicht zu hoch sein. Der Zeitbedarf für UK-Methoden muss eingeplant werden.

Zum Abschluss sollten die Ergebnisse der Sitzung (möglichst durch ein Mitglied) zusammengefasst werden.
Damit verbundene Aufgaben werden verteilt:

  • Welche Infos müssen an die Teilnehmenden des Standorts weitergeleitet oder mit der Standortleitung besprochen werden?
  • In welcher Weise erfolgt die Weitergabe? (z. B. Aushang, Videonachricht, mündliche Mitteilung in den Gruppen).
  • Wer kümmert sich darum? Welche Beauftragten sind für welche Gruppen verantwortlich etc. Wer spricht mit der Standortleitung?
  • Hier müssen die Aufgaben entsprechend zugeteilt werden. Ewer gibt die Infos in welche Gruppe weiter? Wer spricht mit der Standortleitung?

Ggf. werden bereits Themen für die nächste Sitzung gesammelt und ein Termin wird festgelegt.

Es empfiehlt sich, zum Ende eine kleine gemeinsame Snack-Pause durchzuführen. Diese dient zum einen der Entspannung zum anderen auch der Belohnung für die engagierte Arbeit. Außerdem bietet sie die Möglichkeit eines positiven Abschlussrituals.

Ausblick Standort-übergreifender BFB-Rat

Um eine bessere Vernetzung der Standort-BFB-Räte zu erreichen und die Möglichkeiten der Teilhabe zu erweitern, kann ein Standort-übergreifender BFB-Rat ins Leben gerufen werden.

Die Standortbeiräte wählen dann eine Gesamtvertretung (Per Videochat wäre eine standortübergreifende Kommunikation relativ leicht zu handhaben.)

Aufgaben des BFB-Gesamtrats könnten sein:

  • Mitwirkung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit (in Berlin z.B. Teilnahme an den sogenannten Estrel-Tagen)
  • Mitwirkung bei standortübergreifenden Veranstaltungen wie Sportfest oder Fußballturnier (und sei es nur, per Videochat bei einer Planungsrunde hinzugeschaltet zu werden und nach der Meinung gefragt zu werden)
  • Ab und zu Beisitz im Werkstattrat
  • Regelmäßiges Gespräch mit der übergreifenden Fachbereichsleitung

Der BFB Rat bei Mosaik

Mosaik führt in allen Beschäftigungs- und Förderbereichen (BFB) für die Mitarbeitenden eine eigene Vertretung ein. Dieses Video schildet die ersten Erfahrungen.

Video auf YouTube


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Die Konkretsierung ist im Rahmen der Multiplikator*innenqualifikation entstanden.