Einrichtungen und Dienste

Hospizliche und Palliative Einrichtungen und Dienste

ambulante und stationäre Angebotsstrukturen

 

Viele Menschen haben den Wunsch, zu Hause zu sterben. Das kann bei Menschen mit komplexer Behinderung das Elternhaus, aber auch eine Wohngruppe der Eingliederungshilfe oder eine andere Wohnform sein, in der sie leben. Ambulante Angebote der Palliativ- und Hospizarbeit können den Wunsch zu Hause zu sterben unterstützen. Für den Fall, dass eine Begleitung zu Hause aufgrund einer schweren körperlichen Symptomatik nicht mehr möglich ist, können stationäre Angebote in Anspruch genommen werden.

Die Grafik gibt einen Überblick über die wichtigsten ambulanten und stationären hospizlichen und palliativen Dienste:

Einrichtungen

palliative und hospizliche Einrichtungen und Dienste im Überblick

Erschwerter Zugang für Menschen mit komplexer Behinderung

Palliative Care als Bestandteil der Regelversorgung

 

Mit dem Inkrafttreten des Hospiz- und Palliativgesetzes im Jahr 2015 wurde Palliative Care und damit die Inanspruchnahme der eben beschriebenen Dienste als Bestandteil der Regelversorgung der gesetzlichen Krankenkassen und Pflegeversicherung in Deutschland deutlich gestärkt. Jede:r Versicherte, der:die an einer unheilbaren, lebenslimitierenden und/oder chronisch fortschreitenden Erkrankung leidet, hat einen Anspruch auf Palliative Care und Sterbebegleitung. Dieser Anspruch besteht unabhängig davon, ob sich die Versicherten zu Hause, in einem Krankenhaus, einem Pflegeheim, einer Wohnstätte der Eingliederungshilfe oder einem Hospiz aufhalten.

Zugangsbarrieren

 

Angebote der hospizlichen und palliativen Begleitung und Versorgung stehen damit also grundsätzlich auch Menschen mit komplexer Behinderung offen, dennoch können sie aufgrund von Zugangsbarrieren und einer fehlenden flächendeckenden Versorgungsstruktur nicht gleichberechtigt davon profitieren. [1]

Fehlende Barrierefreiheit

 

Ein erschwerter Zugang kann im Fehlen von barrierefreier Ausstattung und wichtigen Hilfsmitteln in palliativen und hospizlichen Einrichtungen liegen. Zudem können institutionalisierte Formen des Zusammenlebens den Zugang zum allgemeinen Gesundheitssystem erschweren [2]. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts PiCarDi-D aus einem Online-Fragebogen zu konkreten Sterbefällen in besonderen Wohnformen der Eingliederungshilfe belegen, dass Kooperationen zwischen der Eingliederungshilfe und mit stationären Hospizen und Palliativstationen eher selten vorhanden sind [3]. Grundsätzlich steht der Zugang zu einem stationären Hospiz bei Erfüllung der Aufnahmekriterien (komplexe Symptomlast, geringe Lebenserwartung von wenigen Tagen bis wenigen Monaten) auch Menschen, die in Einrichtungen der Eingliederungshilfe wohnen, offen. [4] Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Leistungsanspruch eines:einer Bewohner:in gegenüber der Eingliederungshilfe bei Umzug in ein Hospiz endet. „Damit ist eine weitere Begleitung durch Mitarbeitende der Eingliederungshilfe, die die Menschen unter Umständen über lange Zeit betreut haben und ihnen sehr vertraut sind, nicht mehr Leistungsbestandteil der Eingliederungshilfe.“ [5] Für Menschen, die in Pflegeeinrichtungen wohnen ist der Zugang zu einem Hospiz mit dem Versorgungsvertrag nach SGB XI erheblich erschwert. Ein Umzug in ein stationäres Hospiz wird nur bei besonders komplexer Symptomlast vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen befürwortet. [6]

Berührungsängste und Unsicherheiten

 

Zugangsbarrieren können außerdem auch auf Berührungsängsten, Unsicherheiten und auf dem Fehlen von gegenseitigen  Informationen und Kompetenzen sowohl auf Seiten der palliativen und hospizlichen Dienste, als auch auf Seiten der Eingliederungshilfe, der Menschen mit komplexer Behinderung selbst und ihrer Angehörigen und gesetzlichen Betreuer:innen beruhen [7] Möglicherweise fühlen sich Mitarbeiter:innen und Angehörige bei der allgemeinen und alltäglichen Begleitung und Unterstützung von Menschen mit komplexer Behinderung sicher, verspüren aber Unsicherheit und Ängste, wenn es um die Begleitung am Lebensende geht. Im Gegensatz dazu können externe Fachkräfte, die speziell für die hospizliche Begleitung oder Palliativversorgung eingebunden werden, Unsicherheit im Umgang mit Menschen mit komplexer Behinderung und den Strukturen der besonderen Wohnformen der Eingliederungshilfe erleben. Es kann ihnen an Wissen über die individuellen Kommunikations- und Zugangsformen, sowie behinderungsspezifische Erkrankungen, veränderte Symptome und Verlaufsformen, sowie über die Strukturen der Wohnformen der Eingliederungshilfe fehlen. Außerdem kann ihr Verhalten und Handeln gegenüber Menschen mit komplexer Behinderung von ableistischen Vorstellungen geprägt sein. Mit Sabine Schäper und Sven Jennessen kann daher von einer Schnittstellenproblematik zwischen Einrichtungen der Eingliederungshilfe und den palliativen und hospizlichen Strukturen gesprochen werden. [8]

Relevanz von interdisziplinärer Zusammenarbeit und Kooperation

Vernetzung als zentrale Aufgabe und Herausforderung

 

Um der Schnittstellenproblematik zu begegnen und Menschen mit komplexer Behinderung eine gleichberechtigte und gleichwertige Begleitung am Lebensende zu ermöglichen, sollten sich alle relevanten Dienste, Einrichtungen, Fachleute und Beteiligten miteinander vernetzen und füreinander öffnen.

Akteur:innen in der Begleitung und Versorgung am Lebensende

 

Jede Partei übernimmt einen wichtigen und unersetzlichen Part in der hospizlichen und palliativen Begleitung und Versorgung:

Ärzt:innen und (palliativ-)medizinisches Personal spielen eine Schlüsselrolle bei der medizinischen Versorgung und Schmerzkontrolle, Pflegekräfte, Mitarbeiter:innen der Eingliederungshilfe und Angehörige können mit der täglichen Begleitung, Pflege und Symptomlinderung betraut sein. Therapeut:innen, darunter Physiotherapeut:innen und Ergotherapeut:innen, die Lebensqualität durch spezialisierte Therapeut:innen, darunter Physiotherapeut:innen und Ergotherapeut:innen, können dazu beitragen die Lebensqualität durch spezialisierte Therapieansätze zu verbessern. Psycholog:innen und Psychotherapeut:innen können bei erheblichen psychosozialen Belastungen eingebunden werden. Sozialarbeiter:innen und Hospizbegleiter:innen können nicht nur die schwerkranken bzw. sterbenden Personen, sondern auch ihre Familien und Zugehörigen unterstützen. Gesetzliche Betreuer:innen sind insbesondere als wichtige Instanz in Entscheidungsprozessen Teil des Netzwerks. Seelsorger:innen und die Kooperation mit Kirchengemeinden können spirituellen Beistand leisten.

Fallgeschichte1 Besuch Im Hospiz

Einrichtungen der Eingliederungshilfe sollten die örtlichen Strukturen kennen und Kontakte zu den beschriebenen Diensten in ihrer Umgebung unabhängig von akuten Krankheits- bzw. Sterbefällen knüpfen, um grundsätzliche Möglichkeiten der Unterstützung auszuloten und Informationen einzuholen. Kooperationen, gemeinsame Weiterbildungen und Fachtage können dazu beitragen Berührungsängste abzubauen und eine Perspektiverweiterung ermöglichen. [9]

Quellen

[1] vgl. Falkson & Tiesmeyer 2021, S. 51ff. [2] vgl. Schäper & Jennessen 2021, S. 23f. [3] Schäper et al. 2021, S. 31 [4] vgl. Hartmann 2018, S. 24 [5] Roemer et al. 2021, S. 9 [6] vgl. ebd., S. 9 [7] vgl. Falkson & Tiesmeyer 2021, S. 51f. [8] vgl. Schäper & Jennessen 2021, S. 23 [9] vgl. Hartmann 2018, S. 17f.

 



Literatur

Falkson, S. & Tiesmeyer, K. (2021): Palliative Versorgung – Barrieren der Inanspruchnahme für Menschen mit Behinderung. In: Menschen. Zeitschrift für gemeinsames Leben, Lernen und Arbeiten, 44 (1), 51-57.

Hartmann, B. (2018): Palliative Begleitung von Menschen in Wohnformen der Eingliederungshilfe. Ein Leitfaden für Träger, Leitungen sowie Mitarbeitende in der Assistenz und Pflege von Menschen mit intellektueller, komplexer und/oder psychischer Beeinträchtigung. [Zugriff am 20.03.2024]

Roemer, A.; Schroer, B.; Schäper, S. (2021): Teilhabe bis zum Lebensende. Handreichung für die Entwicklung und Darstellung von Leistungen in der Begleitung am Lebensende in der Eingliederungshilfe. Herausgeber: DGP. [Zugriff am 20.03.2024]

Schäper, S. & Jennessen, S. (2021): Gute Begleitung und Versorgung am Lebensende. In: Menschen. Zeitschrift für gemeinsames Leben, Lernen und Arbeiten, 44 (1), 21-25.

Schäper, S.; Jennessen, S.; Schlichting, H. (2021): Abschlussbericht/ Erste Förderphase. Unveröffentlicht.