Dies & Das

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Herausforderung: altersadäquates Spielmaterial

Bei der Entwicklung von Spielmaterialien besteht immer die besondere Herausforderung, zum einen Funktionen und Wirkungen auf die Interessen und das sogenannte Entwicklungsalter abzustimmen und zum anderen bei der Gestaltung das Lebensalter mit zu berücksichtigen. Da es zumindest für das fortgeschrittene Lebensalter kaum adäquate Spielmaterialien zu erwerben gibt, die diese Aspekte erfüllen, wird es manchmal auch notwendig sein, selbst Spielmaterialien zu konzipieren, die unter Umständen auch die Effekte von Kleinkindspielmaterialien aufgreifen, aber altersadäquat umgesetzt werden.

Die nachfolgenden Beispiele, wie z. B. die Adaptionen des bekannten Fischer Price Activity Centers oder eines Memorys, das hier als Fühlmemory dreidimensional und beweglich umgesetzt wurde, versuchen altersadäquate Aspekte und interessante Effekte in gleicher Weise zu berücksichtigen. Die Spielmaterialien entstanden im Rahmen von kooperativen Seminaren, an denen Studierende der Behindertenpädagogik, des Unterrichtsfachs Technik und Architekturstudent_innen beteiligt waren. Sie orientieren sich an den Arbeiten von Andreas Fröhlich oder auch Maulwurfsdesign, wenngleich sie nicht durchgängig eine vergleichbare ästhetische Qualität haben. Wesentlicher an den Beispielen ist jedoch, dass hier mit teilweise sehr einfachen Mitteln interessante Effekte erzielt werden.

Aktivitätszentrum für Kinder mit farbenfrohen Sinnesspielzeugen, darunter ein roter und gelber Kreisel, Bälle und verschiedene strukturierte Platten.

Fisher Price Activity Center

Kooperationen

Grundsätzlich ist es lohnend, bei der Entwicklung von Spielmaterialien andere Disziplinen und Berufsgruppen wie Designer_innen, Künstler_innen, Handwerker_innen, Techniker_innen einzubeziehen. Exemplarisch sei hier das Kooperationsprojekt der Hochschule Augsburg mit dem Fritz-Felsenstein-Haus genannt, in dem Studierende verschiedener Technikstudiengänge gemeinsam mit Pädagog_innen angepasste Spielmaterialien für Menschen mit schwerer Behinderung entwickelt haben:

Inspirationen durch Kunst

Eine weitere Quelle der Inspiration für die Gestaltung von Spielmaterialien für Menschen mit schwerer Behinderung, aber auch für die Gestaltung von attraktiven Räumen, könnten die Arbeiten von Künstler_innen, z.B. aus den Bereichen ‚Kinetische Kunst‘, ‚OP-Art‘ oder ‚Sound Art‘ sein. So berichtet Andres Fröhlich, dass er sich bei der Entwicklung seiner Trockenduschen (s. auch Maulwurfs Design) vom Künstler Jesús Rafael Soto hat inspirieren lassen. Nachfolgend sind nur einige Beispiele aufgeführt, die einerseits als Impulse dienen oder auch eigene Recherchen in diesem Feld anregen können.

Kaum ausgenutzt werden bislang die Potentiale, die die neuen Technologien und virtuellen Realitäten für die Entwicklung von Spielmaterialien, aber auch in ihren Spielmöglichkeiten bieten.

3D-Drucker

Hierzu zählt z.B. die Nutzung eines 3D-Druckers zur Herstellung von Spielmaterialien. Über diesen Fertigungsprozess wären alle Aspekte eines Spielmaterials individuell anpassbar (vgl. Beinke-Schulte 2020, S. 161 ff.). So ist es z. B. möglich, Spielmaterialien zu modifizieren, Spielhilfsmittel zu konstruieren oder elektronische Ansteuerungen für Spielmaterialien zu drucken. Auch wenn aktuell der Fokus bei der Nutzung eines 3D-Druckers im Kontext von Behinderung primär in der Herstellung von individualisierten Hilfsmitteln liegt, gibt es eigentlich keinen Hinderungsgrund, diese innovative Technik auch für die Herstellung neuer Spielmaterialien zu nutzen. Hier sei zur Vertiefung auf den Blog von Nils Beinke-Schulte verwiesen.

Virtuelle Realitäten

Eine durchaus interessante spielerische Perspektive könnten sogenannte „erweitere Realitäten“ (Augmented Reality – AR) beinhalten, die aktuell für alle Computertechnologieunternehmen von größtem Interesse sind. Es geht dabei um computergestützte Erweiterungen der realen Wahrnehmung. Meist werden dabei computergenerierte visuelle Informationen als Bild oder Film eingeblendet. Grundsätzlich könnten aber auch andere Sinnesmodalitäten einbezogen werden. Erste Umsetzungen für behinderte Menschen sind die beiden vergleichbaren Systeme „Tovertafel“ von Active Cues und „Magic Carpet“ von Rehavista. Bei beiden Systemen werden Spiele oder Animationen auf den Tisch bzw. Boden projiziert, die der Spielende dann beeinflussen kann. Es existiert für beide Systeme eine größere Anzahl unterschiedlicher Spiele oder Apps, über deren Inhalt, Qualität und Sinnhaftigkeit sich hier allerdings keine Aussage machen lässt. Äußerst kritisch ist allerdings die preisliche Gestaltung dieser beiden Produkte zu sehen. Denn die reinen Materialkosten liegen vermutlich ganz erheblich unter dem Verkaufspreis. Grundsätzlich erscheint es jedoch sinnvoll, sich mit dem Thema „Virtuelle Realitäten“ auch wissenschaftlich intensiver zu beschäftigen oder gar alternative Systeme zu entwickeln.

Tablet & Co.

Weitgehend unbekannt und unerforscht sind auch die Spielmöglichkeiten, die sich durch Tablet-PC, interaktive Whiteboards oder große Touchscreens ergeben könnten, wie z. B. Fluidity HD | Cause Effect Sensory Light Box |Cause and Effect: Sensory Sound Box | genesis Base: Spielen ohne Grenzen

Bag Books

Potentiale für erlebnisreiche und erlebniserweiternde Spielwelten bieten auch die sogenannten BagBooks, das Multi Sensory Story Telling, Basale Aktionsgeschichten oder Mehrsinngeschichten, wie sie Fornefeld [1] nennt. Mit Hilfe dieser ‚Bücher‘, die aus vielsinnigen Materialien bestehen, haben Menschen mit schwerer Behinderung die Möglichkeit, spielerisch, ihrem Alter entsprechend, unterschiedliche Geschichten zu erleben.

Alle hier vorgestellten Spielmaterialien und -ideen sollen, wie auch schon auf den anderen Seiten mit Spielmaterialien, als Anregungen verstanden werden. Sie können i.R. nicht 1 : 1 für erwachsene Menschen mit schwerer Behinderung übernommen werden, aber sie bieten in vielen Bereichen wertvolle Hinweise, wie die hier vorgestellten Spielmaterialien für den Personenkreis weiter gedacht werden können. Das Weiterdenken und Umsetzen fordern die Kreativität und das Geschick der Bezugspersonen. Aber der damit verbundene Aufwand wäre sicherlich lohnend!

[1] Fornelfeld 2011