Maulwurfs ­Design

Maulwurfs Design – Heike Rahmen | Rolf Lennartz-Pasch (†)

Ausgangspunkte

Heike Rahmen initiierte als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Design der Fachhochschule Niederrhein das Forschungsprojekt ‚Empirische Untersuchungen zu Spiel- und Lernmaterial in der Behindertenarbeit‘ (1983–1986). Bei der Untersuchung des ‚Ist-Standes‘ in der Praxis wurde deutlich, dass die meisten, insbesondere Geistigbehinderten- und Körperbehinderteneinrichtungen, sich entweder mit industriell gefertigtem Material behelfen mussten, das für nichtbehinderte Kinder entwickelt worden war, für Kinder mit Behinderung aber wenig adäquat war, oder mühsam selbst konzipierte Materialien einsetzten. Die größten Defizite wurden bei Kindern mit schwerer Behinderung identifiziert.

Zusammenarbeit mit Andreas Fröhlich

Gemeinsam mit Rolf-Lennartz Pasch entwickelte sich in der Folge eine fruchtbare Zusammenarbeit mit Andreas Fröhlich, der für seine Arbeit mit schwerstbehinderten Kindern und Jugendlichen im Schulversuch Landstuhl Materialien zur Förderung der Wahrnehmung und Bewegung konzipiert hatte:

Auf einer weißen Tafel sind verschiedene Stoffmuster und Bänder befestigt, darunter Filzstücke und bunte Bänder, begleitet von einer Pflanzenmotiv-Skizze.
Eine Ausstellung einzigartiger Stifte, darunter einer mit einem gestrickten grünen Halter und einem Smiley sowie andere mit leuchtenden Farben und dekorativen Elementen.
Schwarze und weiße gedrehte Kordeln, die an einer Metallstange hängen, vor einem weißen Hintergrund.
Von der Decke hängen zwei hölzerne Mobiles, jedes mit einem an Schnüren hängenden Ausschnitt in unterschiedlichen Formen und Mustern.

Spiel- und Beschäftigungsmaterialien aus dem Schulversuch in Landstuhl

Die Kooperation von zwei verschiedenen Berufsfeldern (Pädagogik/Design) brachte neue Impulse und Perspektiven für die Gestaltung der Spiel-, Lern-, und Lebenswelt von schwerstbehinderten Kindern und Jugendlichen. Standen bislang aus pädagogischer Sicht Funktionalität, Sicherheit, Pflegeleichtigkeit, Haltbarkeit … von Medien im Vordergrund, so konnten nun aus dem Blickwinkel der Designer_innen wichtige gestalterische Aspekte einfließen. Dabei konnten sie mit ihrer Arbeit aufzeigen, dass die Qualität der Gestaltung von Materialien den pädagogischen Prozess entscheidend mitbestimmen kann.

Orientierung an den Bedürfnissen

In den nachfolgenden Jahren wurden Spiel- und Lernmaterialien unter pädagogischen und gestalterischen Aspekten konzipiert, die orientiert an den Voraussetzungen, Fähigkeiten und Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen mit schwerer Behinderung grundlegende Erfahrungen von Wahrnehmung, Bewegung und Kommunikation ermöglichen sollten [1]. Die Arbeit des einstigen Forschungsprojekts wurde ab 1988 als selbständige Tätigkeit unter der Marke ‚Maulwurfs Design‘ weitergeführt.

Kein ‚Sondermaterial‘

Ein wesentlicher Ansatz ihrer Arbeit war es, kein »Sondermaterial« für behinderte Menschen zu entwerfen, sondern Spielmaterial, die sich in die alltägliche Umwelt selbstverständlich einfügen. Zudem sollten die Spielobjekte als ästhetische Objekte auch den Pädagog_innen gefallen.

Ziele

Ziel der Designer:innen war es, Spielmittel zu entwickeln, die

  • einen hohen Aufforderungscharakter haben und dadurch Neugier wecken,
  • durch prägnante Reize zum Tasten, Hören, Sehen, Bewegen motivieren,
  • vielseitig und variabel sind und damit
  • vielfältige Möglichkeiten der Eigenaktivität, sowohl mit einzelnen Körperteilen als auch mit dem ganzen Körper schaffen,
  • vielfältige Erfahrungsmöglichkeiten in fühlbaren, erlebbaren und veränderbaren Spielsituationen anbieten (z. B. durch Material-, Form-, Klang- oder Bewegungserfahrung),
  • Orientierung geben,
  • Erleben ermöglichen, auch mit Partner_in oder in der Gruppe
  • Erfolgserlebnisse vermitteln
  • eine einfache Struktur haben
  • angenehm in Form/Farbe und Oberfläche sind
  • gut handhabbar und stabil und
  • hygienisch und pflegeleicht sind.

Erprobung

In der Forschungs- und Entwicklungsarbeit des Designerteams zeigte sich, dass Spielmaterialien, die den Zauber eines Spielmaterials für Kinder und Jugendliche mit einer schweren Behinderung erfüllen, oft mit ganz einfachen Mitteln realisiert werden können. Sie nutzten die Erfahrungen verschiedener Pädagog:innen und Therapeut:innen, um neue Spielmittel zu entwerfen, zu realisieren und in der Praxis zu erproben. Die Spielmittel wurden vielfältig in Kindergärten, Schulen und Wohneinrichtungen und privaten Wohnbereichen mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit einer schweren Behinderung erprobt. Dabei zeigte sich dann auch, dass nicht alle Spielmittel in gleicher Weise für die Nutzung im Alltag geeignet waren.

Schwierigkeiten

So zeigte sich z. B., dass das Mobile aus Lederblättern oder die Trockendusche aus Wollfäden nicht gut zu pflegen waren, sich das Mobile aus Spiegelfolie zwar als durchaus sehr reizvoll, aber nicht sehr stabil erwies oder die Plexiglasröhren nur mit großem technischem Aufwand zu realisieren waren.

Verschiedene Lederblätter in unterschiedlichen Farben hängen als Teil einer künstlerischen Ausstellung an einer Wand.
Ein an der Wand montiertes Textilkunstwerk mit langen Garnsträngen in Blautönen, dargestellt in einem Farbverlauf von Hell- zu Dunkelblau.
Eine Sammlung silberner Metallstäbe hängt vertikal an einem Holzrahmen vor einem orangefarbenen Hintergrund.
Verschiedene chemische Substanzen in durchsichtigen Laborbehältern in verschiedenen Farben, präsentiert auf einer grauen Oberfläche.

Herausforderung: Probleme überwinden

Wir haben aber auch diese und vergleichbare Materialien in der nachfolgenden Präsentation belassen, weil auch sie Anregung für die Entwicklung neuer Materialien sein können, zumal heute, 35 Jahre nach Entwicklung der ersten Maulwurfsspielmittel, neue Materialien und Verarbeitungstechniken zur Verfügung stehen, aber vor allem auch, weil wir unter den Leser:innen findige Menschen vermuten, die Ideen haben, wie sich die hier angedeuteten Probleme der Vergangenheit überwinden lassen.

altersunabhängig und entwicklungsadäquat

In der nachfolgenden Präsentation sind auf den meisten Bildern Kinder zu sehen, die sich mit den Spielmitteln beschäftigen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die Ursprünge des Projekts ursprünglich im Kinder- und Jugendbereich angesiedelt waren und somit Fotoaufnahmen fast nur während der Erprobungen in Kindergärten und Schulen entstanden. Die große Stärke der Maulwurfs-Spielmittel liegt jedoch darin, dass sie weitestgehend altersunabhängig verwendet werden können und sich dabei trotzdem als entwicklungsadäquat erweisen.

Zwischenzeitlich waren einige der Spielobjekte käuflich zu erwerben. Dies ist nach unserer Kenntnis aktuell nicht mehr möglich. Wir recherchieren derzeit allerdings nach Möglichkeiten, wie eine Neuauflage einiger Spielmittel ggf. realisiert werden kann. Sollten Sie Fragen zu den Spielobjekten von Maulwurfs Design haben, können Sie sich auch direkt an Heike Rahmen wenden.

Video (Interview)


Interview mit Heike Rahmen