Mitarbeitende

Was brauchen Mitarbeitende?

Hohes Belastungserleben

 

Mitarbeitende aus besonderen Wohnformen der Eingliederungshilfe können in der Begleitung von Bewohner:innen mit komplexer Behinderung am Lebensende verschiedene Belastungen erleben. Hierzu zählen eigene Ängste im Umgang mit den Themen Sterben, Tod und Trauer und vor der Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit. Auch unterschiedliche Einstellungen zum Umgang mit schwerkranken und sterbenden Bewohner:innen im Team und Unsicherheiten aufgrund fehlenden Wissens bezüglich einer angemessen Begleitung und Versorgung eines:einer Bewohner:in am Lebensende können als Belastung erlebt werden [1]. Dazu zählt vor allem der Umgang mit Schmerzen bei Menschen mit komplexer Behinderung. Oft fehlen Mitarbeitenden die notwendigen Fähigkeiten und das Wissen im Bereich der Begleitung und Versorgung von Bewohner:innen am Lebensende. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts PiCarDi-D legen zudem nahe „[….], dass einigen Mitarbeitenden differenziertes Wissen zu den Strukturen der palliativen Versorgung fehlt, da die Begrifflichkeiten nicht immer korrekt verwendet werden“ [2]. Eine besondere Belastungssituation stellen plötzliche oder unklare Todesfälle dar, da sie häufig mit Gefühlen wie Schock und Schuld oder anderen besonderen Herausforderungen verbunden sind [3]. Ein weiterer zusätzlicher Belastungsfaktor kann in der zunehmenden Prekarisierung der Arbeitsbedingungen gesehen werden. Aufgrund von Fachkräftemangel arbeiten Mitarbeitende häufig unter der Bedingung eines schlechten personellen Schlüssels. Haben sie das Gefühl nicht genügend zeitliche Ressourcen für die Begleitung eines:einer sterbenden Bewohner:in zu haben, kann dies zu einer moralischen Belastung werden, da sie ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden können [4].

Möglichkeiten zur Entlastung

 

Mit einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen, der Aufstockung der personellen Ressourcen und einer Anerkennung der Arbeitsbelastung durch bessere Löhne, kann dieser Belastung begegnet werden. Zudem wird deutlich, dass Mitarbeitende Kenntnisse über palliative Dienste und Einrichtungen, Unterstützung durch spezialisierte Fachkräfte, eine offene Kommunikation über die Themen Sterben, Tod und Trauer, sowie klare Absprachen im Team, Schulungen zum Erwerb von Kompetenzen in Palliativ Care und einen Raum für den Umgang mit ihren eigenen Emotionen benötigen.

Das Team

Zusammenhalt im Team

 

„Das kann sich ja auch durchaus in der Endphase verändern. Jemand, der immer mittendrin sein wollte, möchte es vielleicht nicht mehr. Und jemand, der immer außen vor war, will es vielleicht. So. Und diese Auseinandersetzung führt ja dann das Team. […] Und das wird ja dann in dem Moment, umso finaler es wird, umso wichtiger wird das Team.“ (WS1, Dok1, 1081-1089) [5]

Das Forschungsprojekt PiCarDi hat herausgearbeitet, dass das Handeln des Teams entscheidend für die Begleitung am Lebensende ist. Mitarbeitende haben in Workshops vielfach geäußert, dass sie es für besonders wichtig erachten, dass das Team die Begleitung von schwerkranken bzw. sterbenden Bewohner:innen als gemeinsame Aufgabe ansieht und annimmt. Der Zusammenhalt innerhalb des Teams sowie eine gegenseitige Unterstützung kann entscheidend dazu beitragen, dass Mitarbeitende sich in der Begleitung unterstützt fühlen [6].

„Und da ist es natürlich immer gut, wenn man dann auf die Kollegen, die schon so lange da sind und, […] dass man die anrufen kann und die die anderen, die dann jederzeit auch gerne bereit sind, einem zur Seite stehen, unterstützen.“ (WS4, Dok1, 630-634) [7]

Maßnahmen zur Stärkung des Teamzusammenhalts

 

Schmid (2014) schlägt vor den Teamzusammenhalt zu stärken, in dem eine konstruktiven Kommunikationskultur und gemeinsame Rituale entwickelt werden. Dies kann z.B. durch gemeinsame (ethische) Fallbesprechungen, die Nutzung von Reflexions- und Austauschinstrumenten und von gemeinsamer Teamzeit und Supervision erreicht werden. [8] Dort sollte Raum für die Emotionen der Mitarbeiter:innen geschaffen und eine offene Kommunikation über die jeweiligen Erfahrungen, Ängste und Unsicherheiten ermöglicht werden [9]. Hartmann (2018) empfiehlt regelmäßig zu reflektieren, was gelungen ist und was noch benötigt wird, sich auch für kleine Dinge gegenseitig Anerkennung zu schenken und sich Unterstützung zu holen. [10] Weiter ist es nach Schmid (2014) wichtig, dass eine Rollenklärung der einzelnen Teammitglieder hinsichtlich der jeweiligen Aufgaben, Funktionen und Grenzen erfolgt. Dazu gehört auch das Treffen von Absprachen über Auszeiten von der Begleitung und Versorgung schwerkranker bzw. sterbender Bewohner:innen und das Aufteilen von Verantwortlichkeiten. [11] Im folgenden Dialog aus einem Workshop der zweiten Förderphase des Forschungsprojektes PiCarDi-D belegt dies Notwendigkeit des Austauschs über Emotionen in der Begleitung von Sterbenden:

A: […] Manche können’s ja dann auch irgendwann nicht mehr. Die sagen dann Mitarbeiter, Kollegen: Du, ich will das nicht mehr. Ich kann das nicht. Ich möcht‘ das nicht. Und da muss man dann ja ins Gespräch gehen.

B: Ja und das müssen und das respektieren wir auch, wenn das so ist.
(WS1, Dok1, 856-865) [12]

Bezüglich des Umgangs mit einem plötzlichen Todesfall kann es entlastend wirken, im Voraus festgelegte Handlungsschritte befolgen zu können. [13].

Selbstfürsorge

Selbstreflexion und bewusster Umgang mit eigenen Emotionen

 

Schmid (2014) empfiehlt Mitarbeitenden sich zu fragen, was sie für sich selbst tun können. Selbstsorge umfasst die Selbstreflexion, sich selbst etwas Gutes zu tun und einen bewussten Umgang mit den eigenen Emotionen zu pflegen. In vielen Fällen besteht eine langjährige Beziehung zu dem:der schwerkranken bzw. sterbenden Bewohner:in, weshalb die Auseinandersetzung mit dem eigenen Trauerprozess eine wichtige Komponente der Selbstsorge ist. Zudem ist es wichtig, spezifische Belastungsfaktoren in der Begleitung von Sterbenden und ihren Angehörigen zu erkennen und Warnsignale für Überforderung oder Burnout frühzeitig zu identifizieren und entsprechend darauf zu reagieren. Dafür sollten Mitarbeiter:innen Strategien, wie z.B. eigene Kraftquellen und Energiefresser sowie das Einbauen von Entspannungs- und Erholungsinseln im Arbeitsalltag kennen und nutzen und Anlaufstellen sowie Hilfsmöglichkeiten bei Bedarf in Anspruch nehmen. Das können z.B. ehrenamtliche Hospizbegleiter:innen und Selsorger:innen sein. Auch eine aktive Auseinandersetzung mit der beruflichen Rolle, ihren Möglichkeiten und Grenzen, ist Teil von Selbstsorge, ebenso wie ein guter Ausgleich zur Arbeit. [14]

Qualifikation und Weiterbildung

Möglichkeiten der Qualifikation und Weiterbildung ausschöpfen

 

In Interviews des Projekts PiCarDi betonen Mitarbeitende die Notwendigkeit von Qualifikation, Weiterbildungsmaßnahmen und Schulungen, um der verantwortungsvollen Aufgabe der Begleitung und Versorgung von schwerkranken bzw. sterbenden Bewohner:innen gerecht werden zu können [15]. Sie sollten Kenntnisse darüber erwerben, wie sie schwerkranke bzw. sterbende Bewohnerinnen und deren Zugehörigen begleiten können, wie sie deren Bedürfnisse erkennen, welche lindernden Maßnahmen sie anwenden und wie sie ein Abschiednehmen unterstützen können. Darüber hinaus sollten sie lernen eigene Grenzen zu erkennen und sich mit internen und externen hospizlichen und palliativen Strukturen zu vernetzen. [16]

Die Qualifikation und Weiterbildung von Mitarbeitenden kann zu verschiedenen Zeitpunkten, z.B. bereits im Rahmen der Ausbildung, ansetzen und in unterschiedlichen Formaten, z.B. als Fortbildung, Inhouse-Schulung oder Workshop, durch Fachvorträge über spezifische Themen, mit Hilfe von Online-Ressourcen und weiteren, stattfinden. Auch die Zusammenarbeit mit spezialisierten Fachkräften kann als eine Form der Qualifikation betrachtet werden. Gerade die multiprofessionelle Interaktion kann das Verständnis und die Fähigkeiten aller Mitarbeitenden erweitern. Es sollte ein systematischer Ansatz zur kontinuierlichen Weiterentwicklung von Palliativ-Care-Kompetenzen bei den Mitarbeitenden angestrebt werden, um stets auf dem neuesten Stand der Erkenntnisse und Methoden in der Palliativ Care zu sein.

Quellen

[1] vgl. Brand & Bruhn 2014, S. 155 [2] Schäper et al. 2021, S. 31 [3] vgl. Brand & Bruhn 2014, S. 158f. [4] vgl. Schäper 2023, S. 7 [5] Schäper et al. 2023, Folie 39 [6] vgl. ebd., Folie 36 [7] vgl. ebd., Folie 37 [8] vgl. Schmid 2014, S. 240 [9] vgl. Kostrzewa 2020, S. 312 [10] vgl. Hartmann 2018, S. 103 [11] vgl. Schmid 2014, S. 240 [12] Schäper et al., Folie 43 [13] vgl. Brand & Bruhn 2014, S. 159ff. [14] vgl. Schmid 2014, S. 241f. [15] vgl. Schäper et al. 2021, S. 41 [16] vgl. Hartmann 2018, S. 105

 



Literatur

Brand, C. & Bruhn, R.: Wenn ein Mensch gestorben ist – eine Orientierung für Mitarbeiter in der Behindertenhilfe. In: Bruhn, R & Straßer, B. (Hrsg.): Palliative Care für Menschen mit geistiger Behinderung. Interdisziplinäre Perspektiven. Stuttgart: Kohlhammer, S. 155-167.

Hartmann, B. (2018): Palliative Begleitung von Menschen in Wohnformen der Eingliederungshilfe. Ein Leitfaden für Träger, Leitungen sowie Mitarbeitende in der Assistenz und Pflege von Menschen mit intellektueller, komplexer und/oder psychischer Beeinträchtigung. [ Zugriff am 20.03.2024]

Kostrzewa, St. (2020): Menschen mit geistiger Behinderung palliativ pflegen und begleiten: Palliative Care und geistige Behinderung, 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Bern: Hogrefe.

Schäper, S.; Jennessen, S.; Schlichting, H. (2021): Abschlussbericht/ Erste Förderphase. Unveröffentlicht.

Schäper, S. (2023): Moralisches Unbehagen – moralischer Stress – moralische Verletzung. Aktuelle Zumutungen für Mitarbeitende in der Eingliederungshilfe. In: EthikJournal, 9 (1), S. 1-19.

Schäper, S., Jennessen, S., Schlichting, H.: „Es geht um mein Leben und meinen Tod“ – Teilhabe bis zuletzt. PiCarDi-Abschlusstagung am 5. Oktober 2023. Unveröffentlicht.

Schmid, U. (2014): Begleitung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. In: Bruhn, R & Straßer, B. (Hg.): Palliative Care für Menschen mit geistiger Behinderung. Interdisziplinäre Perspektiven. Stuttgart: Kohlhammer, S. 239-242.